Beate Schork, Bettina Trissia

AG Hörsehbehindert-Taubblind: 25 Jahre Tagungen der AG

Beate Schork, Bettina Trissia

Vor 25 Jahren, vom 24. bis 26. Februar 1999, fand die erste Tagung der AG Hörsehbehindert-Taubblind in Hannover statt: ein Anlass, einen Rückblick auf die Arbeit der AG zu halten.

Gründung

Die Idee einer eigenen Arbeitsgemeinschaft im VBS entstand auf Wunsch des VBS schon ein Jahr früher, am 12.02.1998 innerhalb der Arbeitsgemeinschaft der Einrichtungen und Dienste für taubblinde Menschen (AGTB). Die Genehmigung dieser neuen eigenständigen AG wurde am 13.02.1998 beim Verwaltungsrat des VBS beantragt. Gewählt wurde unter Vorbehalt der Genehmigung als AG-Leiter Herr Dietrich Bunck (DTW Hannover). Die Wahl der Stellvertreterin wurde bei der ersten Tagung vor 25 Jahren nachgeholt: Dort wurde Hanne Pittroff (Blindeninstitutsstiftung Würzburg) als Stellvertreterin gewählt.

Zielsetzung

Als eines der wichtigsten Ziele hat sich die AG Hörsehbehindert-Taubblind die Fort- und Weiterbildung gesetzt. Im Fokus sollten auch langjährige Mitarbeitende stehen und nicht nur Personen in der Phase der Ausbildung oder des Einstiegs in den Beruf. Dies war vor allem auch deshalb wichtig, da es vor 25 Jahren noch keine deutschsprachigen Angebote einer Aus- und Weiterbildung im Bereich Taubblindheit/Hörsehbehinderung (TB/HS) gab.

Eingeladen wurden Mitarbeitende aus dem schulischen Bereich, aber gleichermaßen immer auch Personen, die im Wohn- und im Erwachsenenbereich mit Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung tätig sind. Der Austausch zwischen den einzelnen Bereichen bereicherte die Arbeit in der AG. So wurden auch die berufliche Bildung sowie Inhalte und Angebote für den Freizeitbereich für Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung in den Blick genommen.

Ein wichtiger Baustein war von Anfang an der Erfahrungsaustausch in Fachforen, Workshops und Gesprächsrunden und die Netzwerkbildung der Mitarbeitenden aus den einzelnen Einrichtungen.

Inhalte

Die Inhalte und Themen der einzelnen Tagungen waren sehr vielfältig und resultierten aus den Wünschen der Teilnehmenden. Sie umfassten die Wahrnehmungsbereiche Hören und Sehen, vor allem für Mitarbeitende, die diese Kompetenzen in ihren Ausbildungen nicht erwerben konnten, aber auch die Weitergabe von neuen Entwicklungen und Adaptationsmöglichkeiten für den Bereich Taubblindheit/Hörsehbehinderung.

Im Mittelpunkt standen Inhalte im Bereich der Taktilität und Taubblindenspezifik, wie das Taktile Gebärden, Bezugs- oder Referenzobjekte oder die Video-Analyse.

Durch die Vernetzung mit anderen Organisationen und Netzwerken wie dem DbI (Deafblind International) oder der European Working Group on Congenital Deafblindness sowie den Universitäten in Groningen und Berlin sowie der PH Heidelberg gelang es, aktuelle Themen aus Masterarbeiten oder neueste Entwicklungen im Bereich der Forschung und Weiterentwicklung pädagogischer Konzepte in die Tagungen mit einzubinden und auch internationale Referentinnen und Referenten zu gewinnen.

So konnten schon zu den Tagungen 2002 und 2003 Inger Rodbroe und Anne Nafstad gewonnen werden, die anhand von vielen Video-Beispielen sehr anschaulich alle Teilnehmenden in das Modell und den Prozess der Co-Creating-Communication (CCC) einführten und mitnahmen.

Bei der Tagung 2009 in Würzburg, die mit dem Titel „Kommunikation und Taubblindheit – Aktuelles aus Theorie und Praxis“ auf Englisch stattfand, waren neben Inger Rodbroe (Dänemark) und Anne Nafstad (Norwegen) auch Jacques Souriau (Frankreich), Marlene Daelman (Belgien), Gunnar Vege (Norwegen) und Ton Visser (Niederlande) als Referierende mit dabei, sodass ein umfassendes Bild der aktuellen Entwicklung im Bereich Diagnose, Erziehung, Identität, Kommunikation und Aktivität von Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung gewonnen und Anforderungen an die Partnerinnen und Partner postuliert werden konnten.

Wichtig war auch das Einbeziehen von Eltern, die als Expertinnen und Experten ihrer Kinder mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung einen wertvollen und wichtigen Beitrag zum Thema „Kinder und Jugendliche mit dem CHARGE-Syndrom“ bei der AG-Tagung 2005 in Bergisch-Gladbach leisteten und so neben den Referierenden David Brown (USA) und Dr. Conny van Ravenswaaij und Dr. Marjolijn Jongmans (beide Niederlande) den Blick auf die Herausforderungen und Chancen in der Arbeit und im Umgang mit Menschen mit diesem Syndrom ergänzten und vervollständigten.

Abgerundet wurden die Inhalte mit Themen, die „über den Tellerrand hinaus“ gingen, wie beispielsweise zur „Schmerzdia­gnostik bei Menschen mit schwerster Mehrfachbehinderung“ (Prof. Dr. P. Martin, Kehl-Kork) oder zum Tätigkeitsmodell (Prof. Dr. J. Hollenweger, Zürich). Solche Themen waren wichtig, um den Bereich der TB/HS immer auch im Kontext anderer Faktoren zu betrachten und verstehen zu können.

Beteiligung an Jubiläen der einzelnen Einrichtungen und an VBS-Tagungen

Die Tagungen der AG Hörsehbehindert-Taubblind fanden abwechselnd in den verschiedenen Einrichtungen für Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung – DTW Hannover, Blindeninstitutsstiftung Würzburg, Oberlinhaus Potsdam, DTW Fischbeck, Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn sowie in der Tanne (Schweizerische Stiftung für Taubblinde) – statt. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten bestand jeweils die Möglichkeit des Kennenlernens der jeweiligen Einrichtung und der Besonderheiten bzw. der neuesten Entwicklungen vor Ort.

So war es selbstverständlich, dass die Tagungen der AG Hörsehbehindert-Taubblind auch die Festlichkeiten dieser Einrichtungen mit ausgewählten Programmen bereicherten, so 2006 anlässlich der Feierlichkeiten zu „100 Jahre Taubblindenheim“ in Potsdam (Oberlinhaus), 2009 anlässlich der Feier zu „30 Jahre Förderung von Menschen mit Taubblindheit/Hörsehbehinderung an der Blindeninstitutsstiftung Würzburg“ und 2017 anlässlich der Feierlichkeiten zu „50 Jahre Deutsches Taubblindenwerk (DTW)“ in Hannover.

Auch bei den VBS-Kongressen, die seit der Gründung der AG Hörsehbehindert-Taubblind stattfanden, beteiligte sich die AG aktiv mit Vorträgen, Workshops, Infoständen und Podiumsdiskussionen.

Corona und ein Online-Format der AG

Außer in den Jahren, in denen die großen VBS-Kongresse stattfanden, hat die AG Hörsehbehindert-Taubblind jährlich eine Tagung ausgetragen.

Das änderte sich durch Corona, als 2020 und 2021 keine Tagungen stattfanden. Obwohl einige VBS-AGs recht schnell auch Online-Angebote machten, entschied sich die AG Hörsehbehindert-Taubblind aufgrund des Fokus auf eine Arbeit, die sehr körpernah stattfindet, zunächst dafür, dass ein Online-Format ein Zusammentreffen in Präsenz, wo Inhalte auch ausprobiert und taktil nacherlebt werden können, nicht ersetzen kann.

Als die weltweite Lage Präsenztreffen weiterhin nur unter Auflagen und Unsicherheiten zuließ, wagte die AG doch ein Online-Treffen. Als Thema wurde „Taktile Gebärden: Die Wichtigkeit des aktiven Wortschatzes“ gewählt. Im Mittelpunkt standen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Blindheit/hochgradiger Sehbeeinträchtigung, die zwar (teilweise) Lautsprache verstehen können, aber sich nicht lautsprachlich äußern können, die aber motorisch in der Lage sind, Gebärden zu nutzen. Die Video-Beispiele verdeutlichten sehr gut, dass es neben der lautsprachlichen Kommunikation das Angebot taktiler Gebärden bedarf, damit sich die Betroffenen auch zunehmend selbstständig und adäquat äußern können. Es schloss sich ein lebhafter Gedankenaustausch an, was auch in diesem Online-Format gut möglich war.

Als Resümee aller Beteiligten ergab sich zum einen die Erkenntnis, dass Präsenzveranstaltungen gerade für die AG Hörsehbehindert-Taubblind unerlässlich sind, denn der eine oder andere Teilnehmende hätte die Anregungen oder Beobachtungen taktil auch gerne gleich ausprobiert; zum anderen wurde aber auch zurückgemeldet, dass Austausch und Information (z. B. über Videos) in einem Online-Format durchaus auch möglich sind. Das bedeutet, dass zukünftig neben Präsenztreffen (mit praktischen Angeboten) auch immer wieder Online-Meetings (zu Informationen und zum Austausch) zusätzlich angeboten werden sollen.

AG Hörsehbehindert-Taubblind heute

Bei der jüngsten Tagung der AG am 7. Juni 2024 im Rahmen des Fachtages zur TWMS (siehe Beitrag in diesem Heft: „Haben Sie schon einmal einer fremden Person ins Gesicht gefasst? Von Berührung, Kognition und der Sandwichmitte“) stellten sich beim Rückblick auf die letzten 25 Jahre genau diese Fragen:

  • Konnte die AG ihren eigenen Zielsetzungen gerecht werden?
  • Sind die Zielsetzungen der AG immer noch aktuell und stimmig?

Wenn wir den Aufbau der Tagung betrachten, war der Anspruch der Fort- und Weiterbildung für aktuelle Themen und Entwicklungen – in diesem Fall zum Assessmenttool TWMS – ebenso gegeben wie die Vernetzung und der Austausch unter den Einrichtungen, der in kleinen Gesprächsrunden zu den Themen „Taktile Gebärden bei Menschen mit motorischen Einschränkungen“, „Selbstbestimmung und Teilhabe – inklusive Möglichkeiten der Teilhabe bei einer Wahl der Schülervertretung“ sowie „Förderschwerpunkt TB/HS“ zielgerichtet intensiviert wurde.

Im Rahmen der Gruppe zum „Förderschwerpunkt TB/HS“ wurde beschlossen, in Zusammenarbeit mit anderen Verbänden (z. B. dem Gemeinsamen Fachausschuss hörsehbehindert/taubblind) zu versuchen, sich nochmals intensiv politisch zu positionieren und sich über die Einrichtungsleitungen Gehör zu verschaffen. Ein Ansinnen, das zum Auftrag des VBS passt und auch von der VBS-Leitung unterstützt wird.

Bei der Abschlussrunde wurde von den Teilnehmenden resümiert, dass dieses Format der AG-Tagungen immer noch zielführend und stimmig sei und so auch weitergeführt werden soll.

Diesen Auftrag bekamen in der ebenfalls stattfindenden Wahl der AG-Leitenden Beate Schork (Stiftung St. Franziskus zur Fortführung der AG-Leitung) und Bettina Trissia (DTW als stellvertretende Vorsitzende in der Nachfolge der Ausscheidenden Markus Meier, Fischbeck und Tanja Geck, DTW), die diese Aufgabe gerne annehmen und im Sinne der Zielsetzung der AG Hörsehbehindert-Taubblind weiterführen.

Abbildungen

Beate Schork

Stiftung St. Franziskus, Heiligenbronn

Beate.Schork@stiftung-st-franziskus.de

Abbildungen

Bettina Trissia

Deutsches Taubblindenwerk, Hannover

B.Trissia@taubblindenwerk.de