Sebastian Lerch, Timm C. Feld

„Mutig sein, Mut weitergeben – der Kern einer erwachsenenpädagogischen Didaktik?“

Interview mit Stephan Schweyer-Wagenhals

Herr Schweyer-Wagenhals, Sie sind Akademischer Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg im Arbeitsbereich Erwachsenenbildung und Berufliche Bildung, leitender Dozent für das Kontaktstudium Erwachsenenbildung sowie freiberuflicher Berater, Coach und Trainer. Darüber hinaus arbeiten Sie als Wissenschaftler im Bereich Professionalisierungs- und Professionalitätsforschung. Wenn Sie aus Ihren unterschiedlichen Rollen auf die Didaktik der Erwachsenenbildung blicken, ist es dann überhaupt zulässig, von der einen Didaktik zu sprechen oder müsste hier nicht differenziert werden?

Also ich würde schon sagen, dass es ein allgemein geteiltes Grundverständnis von Didaktik gibt, was in der Erwachsenenbildung, in der beruflichen Bildung, aber auch in der außerschulischen Jugendbildung existiert. Das basiert darauf, dass es sich beim Zusammentreffen von Lehrenden und Lernenden um einen zielgerichteten Interaktionsprozess handeln sollte und dass sich der Lehrende im ersten Schritt immer auch Gedanken machen muss, wie dieser Interaktionsprozess gestaltet werden kann, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Im zweiten Schritt geht es dann um die Überlegung, wer ist meine Zielgruppe und was benötigt diese. Ich habe in der außerschulischen Jugendbildung andere Ziele als bei einer Fortbildung für zukünftige Dozentinnen und Dozenten im Kontaktstudium Erwachsenenbildung, wo es sicherlich auch noch mal um wissenschaftliche Perspektiven geht, da gibt es durchaus Variation. Trotzdem gibt es einen gleichen Kern, der sich insbesondere über die didaktische Haltung konstituiert.

Sie haben jetzt ein paar grundlegende Kategorien von Didaktik angerissen – die didaktische Haltung, die Zielgruppenorientierung oder die Klärung der Bedarfe und Ziele. In den letzten Jahren gab es einige Krisen, die durchaus auch massive Auswirkungen auf das Bildungssystem hatten. Haben sich durch die Corona-Pandemie, die Inflation oder den Ukraine-Krieg die grundlegenden Kategorien von Didaktik verändert?

Mein Grundverständnis hat sich nicht verändert. Ich denke aber, dass jetzt sichtbarer wird, wie wichtig beispielsweise so Dinge wie der individuelle Lernbedarf oder die Bedürfnisse der Lernenden sind. Und wenn ich das aus einer bildungstheoretischen Perspektive beleuchte, dann würde ich sowohl aus einer praktischen als auch aus einer wissenschaftlichen Annahme heraus sagen, dass wir jetzt sehen, was Selbstentfaltung oder Autonomie bedeuten können. Ich persönlich habe es schon immer, seit meinem Studium der Erwachsenenbildung, für wichtig gehalten, dass eigentlich erwachsenenpädagogische Didaktik auch bedeutet, sich nicht nur über die Fachlichkeit Gedanken zu machen, sondern eben auch über diese bildungstheoretische Perspektive. Und so würde ich das beschreiben. Ich merke, um jetzt vielleicht aus der Praxis zu berichten, egal ob es die Hochschullehre ist, ob es der Berufsschulunterricht ist, ob es die Erwachsenenbildung oder die berufliche Bildung ist, dass es immer mehr Menschen beschäftigt, also diese Krisen, dieser Umgang mit Krisen, diese Fähigkeit vielleicht auch lösungsorientiert zu bleiben und dann daraus zu sehen, wie kann ich aus bestimmten Situationen auch gestärkt herauskommen. Dieser Bedarf wächst und ist durch die aktuellen Krisen sichtbarer geworden.

Sie meinten gerade, dass es eine erwachsenenpädagogische Haltung benötigt und da interessiert uns natürlich, was das genau für Sie bedeutet?

Nehmen wir als Beispiel zunächst die Hochschullehre. Ich glaube, dass das Wichtigste ist, dass ich selbst eine klare didaktische Haltung habe. Zudem ist es bedeutsam, dass man Dinge transparent macht, zum Beispiel welche Widersprüche durch Teilnehmerlisten aufkommen könnten. Es ist hier entscheidend zu verstehen, dass die Anforderung von Anwesenheitslisten zu gewissen Konflikten führen kann und negative Auswirkungen auf die Lernbereitschaft der Studierenden haben kann. Die alleinige Verpflichtung, eine Unterschrift für die Anwesenheit zu erbringen, transformiert die Teilnahme von einem freiwilligen zu einem obligatorischen Akt. Man könnte darüber nachdenken, ob die Abschaffung solcher Listen die Lernmotivation steigern könnte. Jedoch wird niemand explizit aufgrund der Abwesenheit einer Liste an einer Vorlesung oder einem Seminar teilnehmen. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Studienhaltung der Studierenden und ihre Beziehung zu den Dozierenden. Eine solche Praxis kann eine Kultur fördern, die das Lernen als Pflicht betrachtet, anstatt es als einen frei gewählten und persönlich bereichernden Prozess zu sehen. Dies kann dazu führen, dass Studierende eine passive Haltung gegenüber ihrem Studium einnehmen und ihre Beziehung zu den Dozierenden eher als hierarchisch und distanziert anstatt als kooperativ und auf Lernen ausgerichtet empfinden. In diesem Sinne wird die pädagogische Beziehung, die den Lernprozess fördern sollte, durch die Verpflichtung zu Anwesenheitsnachweisen potenziell untergraben.

Ich kann mit Dingen agieren, wie beispielsweise freie Prüfungswahl, möchte ich mündlich, möchte ich schriftlich, jetzt im Digitalen gibt es ja auch die Möglichkeit mal digitale Produkte zu erstellen, das stärkt wieder die Medienkompetenz. Es geht zudem tatsächlich auch darum, transparent zu sein und auch die eigenen Widersprüche aufzeigen zu können, also beispielsweise sagen zu können, dass man kein Fan von Notengebung ist, Noten aber vergeben muss und da auch die Notwendigkeiten begründen kann oder die Vorteile. Dann geht es darum, wie wichtig nehme ich die Anliegen der Lernenden, wie viel Zeit nehme ich mir in der Betreuung von Abschlussarbeiten, wie viel Zeit nehme ich mir vor und nach den Seminaren, wie ist meine Sprechstunde gestaltet, wie schaffen wir auch außerhalb der Seminare Räume, wo Studierende sich treffen, wo Studierende vielleicht auch die Möglichkeit haben mal mit Dozierenden außerhalb des Vorlesungsbetriebs, des Seminarbetriebs zu arbeiten. Und ich glaube insgesamt, dass wir uns in vielen Bereichen die Frage stellen müssen, an welchen Punkten kommen wir mit den bisherigen Lehrformaten noch weiter. Eignen sich Vorlesungen beispielsweise überhaupt noch oder müssen die nicht ganz anders gestaltet sein. Und um es final noch mal zu beantworten, ich glaube dass im Umbruch von Diplom auf Bachelor und Master auch manchmal die deutsche Genauigkeit dazu geführt hat, dass manche Studiengangstrukturen zu starr sind, vielleicht zu curricular orientiert und das sehe ich als große Gefahr, wenn man jetzt überlegt, wie äußern sich Grenzen in der Praxis. Insbesondere auch eine Gefahr oder Grenze, wenn ich in der Praxis mal ein anderes methodisch-didaktisches Vorgehen wähle. Wir wissen nämlich oft nicht, wie wir uns durch Rahmenbedingungen lenken lassen. Durch einen standardisierten Evaluationsbogen, bei dem nach dem Seminar die Frage drinsteht, ob eine strukturierte und curricular-orientierte, fachliche Vorgehensweise des Dozenten zu erkennen war, ich als Dozent aber bewusst mit einer Irritation und mit dem Erzeugen von Ungewissheit einsteige, wird gegebenenfalls ein verfälschtes Bild erzeugt. Daher müssen Evaluationsergebnisse immer auch mit den Lernenden besprochen werden um gemeinsam zu überlegen, wie die Bildungsprozesse verbessert werden können. Ich glaube das ist eine große Gefahr durch diese Standardisierung, Ökonomisierung, die uns da vielleicht manchmal die Perspektive nimmt, eigene Räume zu finden. Was dies genau bedeutet, darauf würde ich später gerne noch eingehen.

Sie haben mit der pädagogischen Haltung auf eine zentrale Grundvoraussetzung erfolgreichen didaktischen Handelns hingewiesen. Damit verbunden ist ja auch die Herstellung einer tragfähigen sozialen Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden. Digital ist das anders. Und jeder, der sich mit digitaler Lehre beschäftigt, erfährt schnell, dass das Herstellen einer tragfähigen sozialen Beziehung zu den Lernenden anders, vielleicht auch schwieriger erfolgt. Inwieweit verändert sich das didaktische Handeln?

Also ich bin mir im Augenblick selbst noch ein Stück weit unschlüssig, wo es tatsächlich hinführen soll oder kann. Es gibt auf jeden Fall die große Herausforderung, dass der Selbstlernkompetenz bei digitalen Formaten eine deutlich höhere Relevanz zukommt, als bei Präsenzveranstaltungen. Bei digitalen Lehr-Lern-Settings habe ich als Lernender viel mehr Ablenkungsfaktoren. Das heißt, diese Verantwortung, die ich haben muss als Lernende:r in Online-Settings, die können wir in unserem Schulsystem nicht ausreichend vermitteln, weil das läuft ja anders ab, da gehe ich hin, da muss ich hin. Das ist der erste Schritt der fehlt und wo ich in jeder didaktischen Überlegung für mich klären muss, wie kann ich diese Selbstverantwortung bieten und erzeugen. Also beispielsweise ganz simpel, dass ich als Lehrende:r Kamerazeiten festlege.

Ich sehe aber durchaus das Digitale auch als Chance: Also durch das Digitale die Möglichkeit entweder selbst digitale Produkte zur Verfügung zu stellen, das heißt ich kann jetzt kleine Videos, Learning-Nuggets oder wie man es auch immer benennen möchte zur Vorbereitung, zur Nachbereitung bereitstellen und habe natürlich die Möglichkeit, in bestimmten Seminarkontexten viel stärker mit den praktischen Erfahrungen zu arbeiten, viel stärker vielleicht den Fokus auf Kommunikation und Austausch zu richten. Also ich denke, das ist die eine Chance, ob das dann tatsächlich über Gamification oder wie auch immer irgendwann noch zusätzliche Perspektiven bietet, wird man sehen, aber auch das kann natürlich eine Ergänzung sein, um die Präsenz, die Aufmerksamkeit, die Selbstlernkompetenz zu steigern.

Die zweite große Chance bei Online-Lernsettings ist, dass die Teilnehmenden selbst zu Produzenten werden können. Das ist für mich die eigentlich viel größere Chance, die vielleicht dahintersteckt. Das bietet die Möglichkeit zu Inhalten einen anderen Zugang zu kriegen und wir haben auch einfach Teilnehmende heute, die großen Spaß haben, so was zu erstellen – Quizfragen, kleine Animationen, Sprachaufnahmen oder so. Auf der anderen Seite, wenn man davon ausgeht, dass Medienkompetenz mit Blick auf Fake-News – Sie merken, ich komme immer so ein bisschen zum bildungstheoretischen, aufklärerischen Ansatz zurück –, dann ist es natürlich auch wichtig selbst zu Produzenten zu werden, mit diesen vertrauter zu werden und auch zu sehen, was gibt es da inzwischen alles. Ich glaube, der Aufschrei bei ChatGPT die letzten Wochen ist ein schönes Beispiel, wie viele blauäugig noch gar nicht gewusst haben, was KI heute eigentlich schon alles kann. Und auch hier, um vielleicht gleich schon zu Chancen und Grenzen des Digitalen zu kommen. Ich war aus meiner pädagogischen, didaktischen Haltung heraus etwas erschrocken, als ich dann hörte, dass die KI verboten werden soll und man aufpassen muss, dass nicht alle ihre Hausarbeit damit schreiben. Ich finde, es ist jetzt da, wir müssen damit leben, wir müssen versuchen damit umzugehen und dann muss ich mir als lehrende Person doch überlegen, wie kann ich so was nutzbar machen. Aber verhindert wird das häufig auch durch eine sozio-ökonomische Benachteiligung. Wenn ich sehe, ganz banales Beispiel eines Online-Lernsettings in einer Schule im ländlichen Allgäu, 40 Prozent der Schüler waren mit dem Handy drin, weil sie kein größeres digitales Endgerät haben. Das ist dann kein digitales Lernen, wenn ich mit dem Handy versuche auf einem Jamboard, Conceptboard oder wie auch immer sehr interaktiv, gruppendynamisch zu arbeiten. Deswegen glaube ich, müssen wir uns da gut überlegen, wann und wie welche Technik Sinn macht und dann allen bereitgestellt werden muss. Und wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, dann kann ich überlegen, wie wir auch Schritt für Schritt die Teilnehmenden in diese Verantwortung bringen, sich selbst aktiv zu beteiligen.

Lassen Sie uns noch einmal zum Aspekt der Lern- und Bildungserfahrungen kommen. In digitalen Lernsettings ist es ja nicht wirklich möglich reale Erfahrungen eins zu eins nachzubilden. Es ist etwas anderes, im digitalen Raum eine grüne Wiese zu zeigen als im realen mit den Teilnehmenden über eine grüne Wiese zu spazieren und etwas faktisch über die Natur zu erlernen und gleichzeitig die Natur zu spüren. Aber wie gelingt es, solche Lern- und Bildungserfahrungen auch im digitalen Lernraum herstellen zu können?

Das hat jetzt im ersten Schritt vielleicht auch was mit meiner Haltung zu tun, aber ich denke, auch mit Blick auf gewisse gesellschaftliche Herausforderungen, dass wir uns schon überlegen müssen, in welchen Momenten wir grundsätzlich mit oder gegen die Natur arbeiten, und im Augenblick glaube ich, ist das Digitale eben noch nicht ganz so weit, dass realgetreue Erleben der grünen Wiese im Digitalen zu reproduzieren. Aber ich denke auch hier gilt es zu überlegen, welche didaktischen Ideen aus der Präsenzlehre kann ich ins Digitale übernehmen, welche nicht und inwiefern lege ich eben auch hier einen Fokus, Um ein Beispiel zu nennen: Biografische Methoden, biografische Reflexionen kann ich auch im Digitalen durchführen. Ich kann auch hier in Gruppenprozesse gehen. (…) Vielleicht muss ich mir noch mal mehr Gedanken machen um die Art, mit welcher Frage gehe ich rein, wie stelle ich Aufgaben, wie schaffe ich es diese Reflexionsräume zu ermöglichen. Allerdings ist es, wie gesagt, die wichtigste Voraussetzung, dass alle – Lehrende und Lernende – über die notwendigen technischen Voraussetzungen verfügen. Denken Sie mal an ein Hybridseminar, wenn ich keine Funkmikros habe, wenn ich keine Kamera habe, die schwenkt, die aktiv mit mir mitgeht als Lehrender, das ist teilweise unerträglich. Und wenn dann nicht jeder die technische Ausstattung hat, brauche ich über so was auch nicht nachzudenken. Also es gibt noch einige Hürden, aber es gibt Chancen. Ich persönlich plädiere aus der Erfahrung heraus, dem Augenblick Stand heute, es braucht die Abwechslung, und vielleicht ist das auch eine riesige Chance, wir können ja nicht sagen, das Digitale wird es in 20 Jahren nicht mehr geben, nur weil das mit der Beziehungsebene noch nicht wirklich klappt.

Wir haben bisher eher über die Didaktik insbesondere auf der Mikro-Ebene gesprochen. Schauen wir uns einmal die Ausbildung der Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner an. Welche Art von Professionalisierung brauchen wir hier, reicht das Bisherige aus, können wir das so weiterführen, oder gibt es Elemente, die eigentlich vonnöten wäre, die vielleicht noch ganz fehlen?

Also, wenn ich vergleiche mit 2003, da habe ich selbst angefangen zu studieren, da kann man glaube ich schon sagen, dass die Entwicklung sich positiv verändert hat. Das heißt, dieses Bewusstsein, dass Lehrende in der Erwachsenenbildung pädagogische, erwachsenenpädagogische, didaktisch-methodische Fähigkeiten und Fertigkeiten brauchen, hat enorm zugenommen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass in der Ausbildung von Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern unterschiedliche Komponenten bedacht werden. Ich sollte mir Gedanken machen, was bedeutet eigentlich für mich Lernen. Ich sollte mich vielleicht damit auseinandersetzen, wie bin ich selbst erzogen worden und groß geworden, welche Bildungserlebnisse haben mich geprägt, welche Bildungsinstanzen. Dann braucht’s das Thema Kommunikation, es müssen praktische Erfahrungen gemacht werden, eventuell Spezialisierungen, ich denke etwas über Beratung zu wissen ist für jeden Didaktiker gut, Gesprächstechniken, Fragetechniken, Gesprächsstrategien, auch sich selbst spiegeln zu können, vielleicht seine eigenen Triggerpunkte kennenzulernen und trotzdem kann es dann auch je nach Arbeitsbereich noch vertiefende Spezialisierungen geben. Und dann ist es wichtig, dass die Grundausbildung immer durch kontinuierliche Weiterbildungen ergänzt wird, gerade auch mit Blick auf die Handhabung und den didaktischen Einsatz digitaler Medien im Lehr-Lerngeschehen. Ich denke beispielsweise an Grund- und Fortbildungszertifikate, wie wir das in anderen europäischen Ländern haben. Auf der anderen Seite sagt meine pädagogische Haltung, wenn ich einen Dozenten habe, der zwar schon ganz guten Unterricht macht, aber noch hier und da Defizite hat, wenn ich den verpflichte alle zwei Jahre eine Fortbildung zu machen, dann braucht das Strukturen und Ressourcen. Und dann sind wir bei den Fragen, wie baue ich solche Strukturen auf, wie implementiere ich die, kosten Fortbildungen etwas, kosten sie nichts? Das sind politische Fragen, das sind natürlich auch Fragen, wo es gesellschaftliche Diskurse darüber geben muss, welchen Stellenwert die Erwachsenenbildung im Bildungssystem hat. Und dann kommen wir zum für mich eigentlich wichtigeren Punkt und vielleicht auch zur größten Sorge. Wenn so etwas umgesetzt wird, wer macht das dann eigentlich? Und was sind dann eigentlich die Ziele, und wenn es dann darum geht zu sagen naja, wir brauchen jetzt ein Grund- und Fortbildungszertifikat, um die Volkshochschulen weiter zu effektivieren und wir müssen fortbilden im Bereich E-Learning und die müssen jetzt alle E-Learnings programmieren können – also ich übertreibe jetzt sehr stark, um so diese Problematik aufzuzeigen –, dann ist das für mich die viel spannendere Frage, wer nimmt das nachher in die Hand, wer setzt das um? Das ist für mich noch völlig ungeklärt.

Um aber wieder genauer auf Ihre Frage zurückzukommen. Also wenn ich jetzt sagen müsste, was sind die zentralen Eigenschaften oder was macht den erwachsenenpädagogischen Profi aus, dann würde ich sagen: Empathiefähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Kreativität. Kreativität gepaart mit Flexibilität, wenn ich mit den Teilnehmenden in den Austausch gehe, wenn ich offen bin für individuelle Bedürfnisse, dann habe ich zwar meine mikrodidaktische Vor-Planung, ich halte die aber selten 1:1 ein, beziehungsweise muss damit rechnen, ein Stück weit auch variieren zu müssen. Und dann natürlich die Herausbildung der Haltung, der menschenbezogenen, lernunterstützenden Grundhaltung. Das ist schön am Beispiel der Digitalisierung aufzuzeigen. Menschen haben eine Verantwortung inzwischen durch die Technisierung und Automatisierung, auch so was wie Ethik oder Haltung herauszubilden, nicht nur eine pädagogische. Die Auseinandersetzung damit gehört eigentlich in jedes Studium mit rein, beispielsweise zu reflektieren, was ich eventuell mit einer KI oder mit Automatisierung oder Ähnlichem irgendwann mal anrichten kann. Weil in letzter Konsequenz hat es dann doch der Mensch in der Hand, wie Technik eingesetzt wird, und genauso ist es für mich in der Didaktik auch. Am Ende haben es die Dozierenden in der Hand, wie mit Freiräumen und wie mit der Didaktik umgegangen wird und worauf der Fokus gelegt wird.

Das ist sehr spannend, dass Sie das Thema unterschiedlich geordnet haben, nämlich nach politischen Ebenen, professionstheoretischen Ebenen, pädagogisch-praktischen Ebenen. Könnten Sie bitte zum Abschluss unseres Gesprächs einmal einen Zukunftsblick wagen, welche Thematisierung von Didaktik haben wir in zehn Jahren? Gerne mit Bezug auf einen Ihrer Ordnungsansätze.

Ich versuche es mal so zu formulieren aus der Frage heraus, wann ist für mich Didaktik gelungen? Und das kann man vielleicht schön verbinden mit der Frage, wo möchte ich zukünftig daran arbeiten? Wenn ich einen Raum schaffe, der nicht fachlich frei ist, sondern je nach Bezug, der sich natürlich fachlich orientiert, aber trotzdem die Möglichkeit bietet, dass Menschen es anschließend schaffen mit Digitalisierung, Automatisierung, Klimawandel, politischer Fragmentierung, Bedrohungen durch Kriege, Pandemien usw. einen Umgang zu finden, dann sind das Hinweise darauf, dass es gelungen ist. Das heißt, das wäre für mich ein großer Wunsch eine Didaktik zu finden, die Teilnehmende auf die Herausforderungen in dieser sich schnell verändernden Welt vorbereiten kann und gleichzeitig Wissensinhalte vermittelt. Das beinhaltet auch Widerspruchserfahrungen zuzulassen und durch die angewendete Didaktik zu ermöglichen, an denen Teilnehmende die Relevanz des Lernstoffs für sie selbst unmittelbar erfahren können. Und das würde ich mir für mich wünschen, dass ich das weiterhin schaffe, da für mich einen Weg zu finden und auch beispielsweise in der wissenschaftlichen Weiterbildung, aber auch eben in anderen Bereichen nicht zu sagen, ihr müsst es jetzt alle so machen, wie ich es jetzt denke, aber denkt mal darüber nach und überlegt, wie könnte ein Kompromiss aussehen, wie sehen meine eigenen Widersprüche aus, welche man damit vielleicht auflösen kann, und in letzter Konsequenz heißt es vor allem mutig sein und den Mut weiterzugeben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Autoren

Timm C. Feld, Dr., Leitung der Volkshochschule der Stadt Wetzlar.

Sebastian Lerch, Prof. Dr., Professor für Erwachsenenbildung/Weiterbildung am Institut für Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Review

Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch die Redaktionskonferenz am 11.05.2023 zur Veröffentlichung angenommen.

This article was accepted for publication following the editorial meeting on the 11th May 2023.