Johannes Bonnes, Julia Koller

Mediendidaktische Gelingensbedingungen im Mehrebenensystem

1 Einleitung

Die digitale Transformation beschäftigt die Weiterbildung nicht erst seit der Corona-Pandemie, vielmehr ist der mikrodidaktische Einsatz digitaler Medien bereits vorher ein Thema gewesen. Praktikerinnen und Praktikern der Weiterbildung steht ein breites Spektrum an didaktischen Ansätzen, Methoden und Medien zur Verfügung, um erwachsenengerechte Lehr-Lern-Situationen zu gestalten (Hippel et al. 2022; Siebert 2010). Mediendidaktik beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, Herausforderungen und Effekten von durch digitale Medien gestalteter Lehre. Wesentliche Grundlagen der Mediendidaktik und weite Teil der Diskussion um mikrodidaktische Effekte und Potenziale digitaler Medien stammen vorwiegend aus der Schulforschung (Kerres 2022). Auffällig ist, dass sich die Weiterbildung vielfältig und zunehmend1 mit Fragen der Digitalisierung und digitalen Transformation beschäftigt, eine Konkretisierung und Adaption einer explizit erwachsenenpädagogischen Mediendidaktik zur Realisierung der mediendidaktischen Potenziale digitaler Medien für Bildung und Lernen Erwachsener bleibt dabei jedoch randständig diskutiert, wenn überhaupt im Blickfeld der Autorinnen und Autoren. Das letzte diesem Thema gewidmete Studienbuch ist 2013 in der 2. Auflage nach seiner Entstehung 2007 veröffentlicht worden (Witt & Czerwionka 2013).

Gleichwohl im Interesse einer erwachsenenpädagogischen Digitalisierungsforschung stehen Fragen des im weiteren Sinne informellen Lernens vor dem Hintergrund einer integralen digitalen sozialen Praxis Erwachsener (u. a. Rosemann 2022; Thalhammer 2017). Diese Randständigkeit ist insbesondere vor dem Hintergrund überraschend, da sich die Weiterbildung traditionell stark mit einem spezifisch erwachsenenpädagogischen Zugang zur Didaktik beschäftigt. Dabei wird deutlich, dass sich die institutionellen Rahmenbedingungen mit Blick auf die Stabilität von Strukturen grundlegend von denen der (Hoch-)Schule unterscheiden. So integriert eine erwachsenengerechte Didaktik bspw. stets auch makrodidaktische Überlegungen der Programm- und Angebotsplanung (Breitschwerdt et al. 2022, S. 11–13). Dazu gehört es, „Lernsituation und institutionelle, soziale, politische und ökonomische Rahmenbedingungen“ (Hippel et al. 2022, S. 20) zu analysieren und zu interpretieren. Mediendidaktische Konzepte beziehen diese Rahmenbedingungen häufig nicht ein bzw. lassen sich die Bedingungen des Medieneinsatzes in der Schule nicht auf die institutionellen Bedingungen der Weiterbildung übertragen. Mit Blick auf die finanzielle Förderung vor dem Hintergrund der digitalen Transformation haben Schulen bspw. eine andere Ausgangslage, bei der ihnen über den Digitalpakt Mittel zur Verfügung stehen, während die öffentliche Weiterbildung nicht auf flächendeckende Mittel zurückgreifen kann.

So lässt sich insgesamt feststellen, dass es der Weiterbildung an einer didaktischen Diskussion fehlt, bei der institutionelle und organisationale Rahmenbedingungen sowie individuelle Voraussetzungen im Sinne eines Mehrebenensystems (Schrader 2019) zur Ausschöpfung des mediendidaktischen Potenzials digitaler Medien vor dem Hintergrund der digitalen Transformation integriert werden.

In diesem Beitrag wird der These nachgegangen, dass intervenierende Bedingungen, die als Prozessoren oder Inhibitoren auf der institutionellen, organisationalen und individuellen Ebene Einfluss nehmen, die Ausschöpfung mediendidaktischer Potenziale wesentlich beeinflussen. Die Forschungsfrage lautet folglich:

Welche intervenierenden Bedingungen lassen sich auf der Mikro-, Meso- und Makroebene im Weiterbildungssystem identifizieren, die von Bedeutung zur Realisierung mediendidaktischer Potenziale sind?

Zur Bearbeitung der Fragestellung gehen wir wie folgt vor: Zunächst diskutieren wir die Wirksamkeit des Einsatzes digitaler Lehr- und Lernmedien und ihre möglichen Potenziale. Dazu führen wir in einem nächsten Schritt das Angebots-Nutzungs-Wirkungsmodell (Schrader, 2018) ein, welches einen umfassenden Blick auf Bedingungen für eine Einschätzung von Wirkung in der Weiterbildung liefern kann. Mit Blick auf dieses Modell und das interdependente Beziehungsgefüge werden auf der Makro-, Meso- und Mikroebene intervenierende Bedingungen ersichtlich, die als Prozessoren und Inhibitoren für die Realisierung des mediendidaktischen Potenzials wirken können. Die folgenden Kapitel illustrieren einzelne dieser Bedingungen und diskutieren sie hinsichtlich der eingelagerten Effekte auf mikrodidaktische Entscheidungen bzw. Entscheidungsspielräume. Wir schließen mit einem Fazit und Ausblick, der auf die Notwendigkeit von Forschung in diesem Bedingungsgefüge hinweist.

2 Mediendidaktische Potenziale digitaler Medien

Im mediendidaktischen Diskurs zur Wirksamkeit von Medien in Lehr-Lern-Situationen und vor allem den Fragen nach einer lernwirksamen Gestaltung solcher Lehr-Lern-Situationen werden immer wieder die Potenziale von digitalen Medien betont. Diese lassen sich im Anschluss an Kerres (2022) in sechs Bereiche clustern:

  • Bereitstellung vielfältiger Lernressourcen: Durch den Einsatz vielfältiger digitaler Medien lassen sich zusätzliche Perspektiven auf den Lerngegenstand eröffnen. Diese können bspw. genutzt werden, um Lernen hinsichtlich seiner Situierung, der kognitiven und emotionalen Aktivierung der Lernenden sowie der Interaktion zu intensivieren.
  • Erhöhung der methodisch-didaktischen Variabilität: Digitale Medien bieten zusätzliche Optionen an, um bspw. Fälle und Projekte im Rahmen handlungs- und problemorientierter Methoden individualisiert oder kollaborativ bearbeiten zu lassen.
  • Effizienzsteigerung von Bildungsangeboten: Je nach mediendidaktischem Setting und organisationalen sowie professionellen Anforderungen kann der Einsatz digitaler Medien bspw. durch eine verminderte Raumbelegung zur Effizienzsteigerung beitragen.
  • Flexibilisierung von Lernorten und -zeiten: Durch die Nutzung digitaler Strukturen wie Lernplattformen können sowohl die räumliche als auch die zeitliche Strukturierung des Lernens an die Bedürfnisse der Lernenden angepasst werden. Dies umfasst auch die Möglichkeiten, neue Lernorte für die jeweilige Zielgruppe zu erschließen und Lernzeiten ggf. zu verkürzen.
  • Sichtbarmachung von Lern(zwischen)ergebnissen: In Ergänzung zu bestehenden Möglichkeiten der Leistungsbilanzierung bietet die Datafizierung des Lernens zusätzliche Optionen, um nicht nur die Kompetenz- und Wissensbestände der Lernenden am Anfang des jeweiligen Arrangements zu erfassen, sondern auch während des Lernprozesses Fortschritte zu visualisieren und daran anknüpfend individualisierte Rückmeldungen zu erstellen.
  • Medienkompetenzentwicklung: Durch die reflektierte Nutzung digitaler Medien lässt sich nicht nur der Lerngegenstand erschließen, sondern auch der Auf- bzw. Ausbau von medien(pädagogischen) Kompetenzen bei Lernenden und Lehrenden fördern. Dieser ist nicht auf den instrumentellen Einsatz digitaler Medien beschränkt, sondern kann auch die reflexive Auseinandersetzung mit der digitalen Lebenswelt und Fragen der Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs über Medien umfassen.

Um diese Potenziale zu realisieren, reicht es nicht aus, digitale Medien einzusetzen. Vielmehr ist es von entscheidender Bedeutung, sie in einem lernwirksamen didaktischen Konzept einzusetzen. Da für den Bereich der Weiterbildung noch keine entsprechenden Metaanalysen vorliegen, lassen sich bspw. Ergebnisse aus den schulischen Bereichen des Bildungssystems für dieses Phänomen heranziehen. Die entsprechenden Metastudien belegen, dass mit dem Einsatz digitaler Medien ein kleiner bis mittlerer Effekt auf den schulischen Lernerfolg erreicht werden kann. Am größten fällt er dann aus, wenn interaktive Lernvideos und mobile Geräte in das Lerngeschehen eingebunden sind. Demgegenüber hat der Einsatz von Tablets und Smartphones im Unterricht einen vergleichsweise geringen Effekt (Zierer 2020). Der Lernerfolg lässt sich deutlich erhöhen, indem digitale Medien mit passenden didaktischen Maßnahmen gekoppelt werden. So führt der Einsatz von Tablets zu einem deutlich besseren Lernerfolg, wenn eine didaktische Ausrichtung an den Bedürfnissen der Schüler*innen erfolgt (Tamim et al. 2015).

Für die Weiterbildung fehlen bisher einschlägige umfassende Wirkungsstudien. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus Schulforschung und Mediendidaktik ist für die Weiterbildung plausibel anzunehmen, dass auch hier der Einsatz digitaler Medien allein nicht ausreichend ist, um ihr Potenzial für Bildung und Lernen Erwachsener umzusetzen. Neben den etablierten mikrodidaktischen Modellen und Prinzipien, die für die Weiterbildung einschlägig sind (Hippel et al. 2022), lassen sich weitere Einflussgrößen identifizieren, die für die Realisierung des Potenzials als maßgeblich betrachtet werden können. Sie bilden intervenierende Bedingungen, die die Umsetzung des Potenzials begünstigen (Prozessoren) oder erschweren (Inhibitoren) können. Diese lassen sich nach dem Mehrebenensystem der Weiterbildung (Schrader 2019) in Mikro-, Meso- und Makroebene aufgliedern und im Anschluss an Schrader (2018) hinsichtlich der Interdependenzen ihres Wirkens durch das Angebots-Nutzungs-Wirkungsmodell (ANW-Modell) systematisieren. Darin wird die Wirkung bzw. der Ertrag von Bildungsangeboten (bswp. Zufriedenheit, Lernmotivation, Stabilisierung bzw. Dynamisierung von Berufsbiografien sowie langfristige Effekte auf Gesundheit) über das Zusammenwirken von unterschiedlichen Einflussgrößen beschrieben, die auf den drei Ebenen des Mehrebenensystems verortet sind. Die übergeordnete (1) Makroebene bilden institutionelle Voraussetzungen der Weiterbildung, in der formale Rahmenbedingungen und gesamtgesellschaftliche Erwartungen verortet sind. Auf der (2) Mesoebene sind alle Einflüsse versammelt, die mit Aktivitäten des Organisierens und Strukturen der Organisation verbunden sind. Schließlich können auf der (3) Mikroebene sämtliche Phänomene beleuchtet werden, die auf die Lehrenden-Lernenden-Interaktion bezogen sind.

Vor dem Hintergrund der Forschungsfrage dieses Beitrags illustrieren wir im Folgenden die Bedingungen auf den vom ANW-Modell demonstrierten Makro-, Meso- und Mikroebenen.

3 Institutionelle Voraussetzungen der Weiterbildung

Im Kontext der digitalen Transformation (Schrape 2021) erweitern sich die Gestaltungsmöglichkeiten von Bildungs- und Lernkontexten in der Weiterbildung um digitale Medien und Infrastrukturen. Dabei umfasst dieser Begriff alle Phänomene der sukzessiven „Verfestigung neuartiger soziotechnischer Prozesszusammenhänge durch die soziale Aneignung digitaltechnischer (Infra-)Strukturen und die damit verbundene Rekonfiguration gesellschaftlicher Ordnungsmuster“ (ebd., S. 87). Damit wird die Interdependenz von technischen Entwicklungen und ihren gesellschaftlichen Aneignungsweisen fokussiert. In Bezug auf das Mehrebenensystem der Weiterbildung stellt sich dabei die Frage, welche Potenziale der digitalen Transformation bzw. der neuen Technik von den Akteurinnen und Akteuren des Feldes aufgegriffen werden. Dies ist insbesondere im Zusammenhang mit rechtlicher und finanzieller Steuerung durch die Bildungspolitik interessant. Mit Blick auf den Fokus des vorliegenden Beitrags geht es vor allem um die Frage, unter welchen Bedingungen das mediendidaktische Potenzial digitaler Medien in der Weiterbildung realisiert werden kann.

In diesem Sinne nehmen politische Rahmenbedingungen maßgeblich Einfluss auf die didaktische Ausgestaltung des Weiterbildungsangebots, indem bestimmte Themen strategisch über Projekt- oder Programmförderung forciert werden. Darüber hinaus hängen z. B. die Möglichkeiten für die Etablierung digitaler Lehr-Lernangebote direkt an gesetzlichen Rahmenbedingungen, bspw. bei datenschutzrechtlichen Vorgaben zur Nutzung von Videokonferenzsystemen. Die politikwissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass in den Aushandlungsprozessen zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und weiteren Akteurinnen und Akteuren eine starke Interessenpluralität und ein konfliktreiches Ringen in Fragen der digitalen Transformation maßgeblich ist (Hamedinger 2021, S. 346). Für das gesamte Bildungssystem hat Förschler (2018, S. 46) gezeigt, dass Digitalisierung zu einem zentralen gesellschaftlichen Themenbereich und Diskurs wurde. Dabei nehmen und nahmen „nicht-staatliche Akteure (…) auf unterschiedlichste Art und Weise und auf verschiedenen Ebenen massiv Einfluss auf das politische Agenda-Setting und entsprechend auf die Implementation spezifischer Steuerungsprozesse“ (Förschler 2018, S. 46). Es zeigt sich, dass insbesondere Netzwerke und Gemeinschaften, wie z. B. auch Stiftungen und Interessenvertretungen, für die Artikulation und Einflussnahme auf die politische Agenda eine große Rolle spielen. Hoch relevant sind dabei auch wirtschaftliche Akteure (z. B. IT-Unternehmen), die über den Verkauf und die Lizenzierung von Software direkt didaktische Entscheidungen beeinflussen und steuern. Das macht Grotlüschen (2018) im Zusammenhang mit dem Einfluss von LinkedIn & Lynda, XING und Google als Bildungsanbieter deutlich. Hier wird über den Markteintritt dieser Unternehmen eine „Verschiebung in der Weiterbildungslandschaft, die wesentlich durch personalisiertes Marketing, ergo die Nutzung von Datenbeständen gekennzeichnet“ ist, deutlich (Grotlüschen 2018, S. 112). Insgesamt liegen für die Weiterbildung bisher wenige Untersuchungen des interdependenten Gefüges von Akteurskonstellationen und Steuerung im Zusammenhang mit digitaler Transformation vor (Bernhard-Skala et al. 2021).

Weiterbildungsorganisationen müssen in der Regel vielfältige Wege finden, um die gesteigerten Kosten im Zusammenhang mit der digitalen Transformation zu decken. Dazu gehören die Kosten für die technische Infrastruktur, die Professionalisierung des Personals, die möglicherweise notwendigen Veränderungen der Organisationsstruktur (Implementierung von Stabsstellen, IT-Support etc.). Dazu sind sie auf öffentliche Gelder angewiesen, die von Land oder Bund als Programm- oder Projektmittel ausgeschrieben werden. Die erfolgreiche Teilnahme an wettbewerblichen Drittmittelverfahren ist daher notwendig für eine Implementierung digitaler Medien und die Ausschöpfung ihrer Potenziale. In finanzieller Hinsicht ist darüber hinaus gerade für die primär öffentlich finanzierten Anbietenden die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit digitaler Angebote eine Herausforderung. Das ist besonders virulent angesichts der vielfältigen, oft kostenfreien Konkurrenz im Internet (Grotlüschen 2018; Schmid et al. 2018, S. 7). Eine verschärfte Wettbewerbssituation ist auch mit Blick auf den überregionalen Charakter der Angebote abzulesen. Es wird deutlich, dass die Akteurinnen und Akteure mit ihren Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf die Realisierung des mediendidaktischen Potenzials digitaler Medien nehmen können. Stellen sie bspw. finanzielle Anreize zur Anschaffung digitaler Medien bereit oder erstellen rechtliche Vorgaben, so bilden sie auf der Makroebene Prozessoren für die Realisierung.

Mit Blick auf das Personal der Weiterbildung wird erkennbar, dass auch deren Einstellungen und Habitus gegenüber digitalen Medien für die Realisierung ihres mediendidaktischen Potenzials bedeutsam sind. Weiterbildner*innen stehen technischen Entwicklungen zwar offen gegenüber, schätzen jedoch den Nutzen bzw. die Wirksamkeit im mikrodidaktischen Einsatz vor allem in der Arbeit mit sozial benachteiligten Zielgruppen skeptisch ein. Skeptisch-kritische Einstellungen sind abhängig vom Alter, Schulabschluss, Beschäftigungskontext und Kompetenzentwicklung der Lehrenden. So sind Personen mit Abitur und Beschäftigte, die eine Weiterbildung zu digitalen Medien absolviert haben, bspw. deutlich positiver und chancenorientierter einzuschätzen (Rohs et al. 2020). Der mediale Habitus des Personals ist besonders für die individuelle Kompetenzentwicklung relevant. Durch medienbiografische Erfahrungen entwickeln Lehrende während ihrer berufsbiografischen Entwicklung habituelle Strukturen, die sich auf die Bereitschaft zur weiteren Auseinandersetzung mit digitalen Medien auswirken. Dabei fördert eine genuine Offenheit die Bereitschaft, während eine Ambivalenz, die auf negativen oder fehlenden Erfahrungen beruht, ihr eher entgegensteht (Bolten-Bühler 2021). Der Monitor Digitale Bildung konstatiert 2018 hinsichtlich der medienpädagogischen Professionalisierung, dass Lehrende das didaktische Potenzial digitaler Medien nicht voll ausnutzen, da entweder zu wenige Qualifizierungsmöglichkeiten bestehen oder deren Qualität ausbaufähig ist (Schmid et al. 2018). Auch der Blick auf das Personal verdeutlicht die Wirksamkeit intervenierender Bedingungen, indem eine gewisse Skepsis gegenüber digitalen Medien sowie ein hinreichend großer Professionalisierungsbedarf als Inhibitoren der Realisierung des mediendidaktischen Potenzials angesehen werden müssen.

4 Organisationen der Weiterbildung

Auch auf der Organisationsebene lassen sich intervenierende Bedingungen identifizieren, die die Realisierung des mediendidaktischen Potenzials digitaler Medien mitbestimmen. Dabei rückt das Handeln von Leitungskräften in den Fokus, die über ihre Akzente dazu beitragen können, dass das Personal das mediendidaktische Potenzial digitaler Medien ausschöpft. Bonnes und Herbrechter (2023) verweisen darauf, dass Leitungskräfte nicht nur darauf hinarbeiten, die organisationale Medienausstattung zu verbessern, sondern auch die medienpädagogischen Kompetenzen ihres Personals und damit die Bereitschaft zum Einsatz digitaler Medien zu fördern. Dabei unterstützen sie einerseits selbst über informelle Möglichkeiten der individuellen Professionalitätsentwicklung wie Coaching und schaffen andererseits Anreize zur Nutzung von Fortbildungsmaßnahmen und können diesbezüglich als Prozessoren auf der Mesoebene fungieren.

Egetenmeyer et al. (2020) erforschen Gelingensbedingungen der digitalen Transformation auf der Ebene von Dachorganisationen und Einrichtungen der Weiterbildung. Anhand von acht Fokusgruppen kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Bereitstellung einer grundlegenden digitalen Infrastruktur für die Mitgliedseinrichtung durch den Träger von zentraler Bedeutung ist. Konkret werden hier ein gemeinsames Netzwerk- und Lern-Management-System sowie eine geteilte Wissensdatenbank benannt. Das Fehlen einer solchen Infrastruktur kann als deutlicher Inhibitor des mediendidaktischen Potenzials gewertet werden.

Zudem spielen Quantität und Qualität der organisationalen Ausstattung mit digitalen Medien eine Rolle. Zum aktuellen Zeitpunkt (März 2023) liegen keine belastbaren Daten für den gesamten Bereich der Weiterbildung vor. Bereits vor der Coronapandemie war die für digitales Lernen wesentliche Hard- und Software sowie die zu ihrem Betrieb notwendige IT-Infrastruktur überwiegend vorhanden (Sgier et al. 2018; Christ et al. 2020). Ergebnisse des wbmonitors 2021 zeigen zudem auf, dass die meisten Organisationen weitere Investitionen in ihre digitale Medienausstattung vorgenommen haben. Dies betrifft vor allem die Bereiche der digitalen Konferenzsysteme (83 % aller Anbietenden), Software(lizenzen) für digitale Angebote (77 %) und digitale Endgeräte für lehrendes (61 %) und sonstiges (57 %) Personal (Koscheck et al. 2022). Unterschiede in der Ausstattung zeigen sich zwischen den verschiedenen Anbietertypen. Kommerzielle Anbietende verfügen nach Daten des wbmonitors 2019 über die meisten digitalen Medien, während staatliche Einrichtungen den größten Bedarf aufweisen (Christ et al. 2020). Diese Konstellation verdeutlicht, dass sich die intervenierenden Bedingungen je nach Ausprägung sowohl begünstigend als auch hinderlich auf die Realisierung des mediendidaktischen Potenzials auswirken können.

Obwohl die Investitionen im Vergleich zur vorpandemischen Zeit insgesamt zu einer Verbesserung der organisationalen Medienausstattung beigetragen haben, lassen sich zwischen den verschiedenen Anbietertypen Unterschiede in der Bewertung der digitalen Medienausstattung registrieren. So fiel die Bewertung seitens Volkshochschulen deutlich schlechter aus als von (Fach-)Hochschulen und Akademien oder privat-kommerziellen Anbietenden. Hinzu kommt, dass die Teilnehmenden die digitale Medienausstattung schlechter einstufen als die Anbietenden der jeweiligen Veranstaltung. In Kombination mit dem Ergebnis, dass die unzureichende Medienausstattung der Teilnehmenden von ihnen selbst als Barriere zur Teilnahme an Onlineangeboten benannt wird (Koscheck et al. 2022), gibt dies einen Hinweis darauf, dass für die Realisierung des Potenzials digitaler Medien für die methodisch-didaktische Gestaltung von Lehr-Lern-Situationen auch die Perspektive der Teilnehmenden beachtet werden sollte.

5 Lehr- und Lernaktivitäten

Auch auf der Mikroebene des Mehrebenensystems lassen sich intervenierende Bedingungen zur Realisierung des mediendidaktischen Potenzials digitaler Medien identifizieren.

Hinsichtlich des Medieneinsatzes der Lehrenden zeigen Befunde von Breitschwerdt et al. (2022), dass neben dem Computer/Laptop (97 %) vor allem Präsentationssoftware (86 %), Videokonferenzanwendungen (86 %) sowie das Bildungsmedium Video (81 %) hohe Akzeptanz und eine entsprechende Anwendung erfahren. Angesichts der mikrodidaktischen Prinzipien der Zielgruppen- und Teilnehmendenorientierung (Hippel et al. 2022) werden die individuellen Voraussetzungen der Lernenden wichtig. Hier bestehen Disparitäten, die bei der Realisierung des mediendidaktischen Potenzials als Inhibitoren fungieren. Bereits im Hinblick auf den Internetzugang zeigen sich Unterschiede nach dem verfügbaren Haushaltseinkommen. Während der Zugang in fast allen einkommensstarken Haushalten gegeben ist, verfügen nur 80 % der einkommensschwächsten Haushalte darüber. Weitere Disparitäten zeigen sich zwischen den Geschlechtern sowie verschiedenen Altersgruppen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2020). Auch in Bezug auf das Onlinelernverhalten der Erwerbsbevölkerung zeichnen sich Ungleichheiten ab. So variiert die Teilnahme an internetbasiertem Lernen zu Berufs-, Bildungs- oder privaten Zwecken nach dem Verstädterungs- und Bildungsgrad, dem Haushaltsnettoeinkommen und der sozialen Stellung (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2022). Ergänzend zu diesen strukturellen Barrieren zeigen Ergebnisse der wbmonitor-Umfrage 2021, dass 73 % der Anbietenden angeben, dass die persönliche Begegnung vor Ort als wesentlicher Bestandteil der Veranstaltung nicht online ersetzt werden kann. Weitere Barrieren für die Teilnahme an Onlineformaten, die als Inhibitoren auf Mikroebene angesehen werden können, bestehen aus ihrer Sicht darin, dass reine Onlineformate für die Zielgruppe bestimmter Veranstaltungen als didaktisch nicht geeignet erachtet (64 %) und unmittelbare körperliche Erfahrungen als wesentlicher Bestandteil der Veranstaltung(en) angesehen werden, der online nicht adäquat repräsentiert werden kann (47 %) (Koscheck et al. 2022).

6 Fazit und Ausblick: Realisierung des mediendidaktischen Potenzials im interdependenten Beziehungsgefüge des Mehrebenensystems

Die Realisierung des mediendidaktischen Potenzials digitaler Medien muss angesichts intervenierender Bedingungen jenseits konkreter didaktisch-methodischer Fragen als Zusammenwirken von Phänomenen auf Makro-, Meso- und Mikroebene betrachtet werden. Wie der Beitrag gezeigt hat, sind auf der Makroebene der Weiterbildung die Sicherung der Finanzierung auch in Konkurrenz und Kooperation entscheidend für die Umsetzung des Potenzials digitaler Medien. Vielfältige Akteure (z. B. IT-Unternehmen, andere Bildungseinrichtungen, Sozialpartner) in der institutionellen Umwelt sind maßgeblich an der Aushandlung politischer Agenden beteiligt. Zudem sind hier die medienpädagogischen Kompetenzen sowie die Einstellungen des Personals beachtenswerte Einflussgrößen. Auf der Mesoebene des Mehrebenensystems sind zusätzlich das Handeln der Leitungskräfte, die Bereitstellung von digitalen Infrastrukturen durch Trägereinrichtungen sowie der Grad der organisationalen Medienausstattung zentral. Auf der Mikroebene bilden die Mediennutzungspräferenzen der Lehrenden und individuellen Voraussetzungen der Lernenden weitere Bedingungen, um das mediendidaktische Potenzial digitaler Medien umzusetzen.

Angesichts dieser Konstellation werden die Vorteile des ANW-Modells klar. Es kann einerseits herangezogen werden, um die Interdependenzen der intervenierenden Bedingungen vor dem Hintergrund des Mehrebenensystems zu systematisieren. Dabei wird exemplarisch erkennbar, dass eine unzureichende politische Unterstützung der digitalen Transformation über fehlenden Anreize (Makroebene) zum Ausbau der organisationalen Medienausstattung (Mesoebene) dazu führen kann, dass Lehrende ihre Skepsis gegenüber der Wirksamkeit digitaler Medien (Makroebene) schlicht deswegen nicht abbauen können, weil sie keine praktischen Erfahrungen (Mikroebene) damit sammeln können. Andererseits kann es die Grundlage bilden, um sowohl die didaktische Orientierung an den Bedarfen der Lernenden im Blick zu behalten als auch Lehrende bei mediendidaktischen Entscheidungsprozessen zu unterstützen.

Die intervenierenden Bedingungen, die mit Blick auf das ANW-Modell diskutiert wurden, konnten hier nur randständig auf der Basis des Forschungsstands herange­zogen werden. Insbesondere für die steuerungsrelevanten Bedingungen auf Makroebene gibt es wenig Forschung, wenngleich viele Fragen virulent sind. Diese betreffen bspw. die Rolle datenschutzrechtlicher Vorgaben auf das mediendidaktische Potenzial und die Veränderung der Marktsituation durch den Eintritt neuer Akteurinnen und Akteure oder die Überregionalität digitaler Weiterbildungsangebote (Territorialitätsprinzip).

Insgesamt führen diese Überlegungen zu dem Desiderat einer erwachsenenpädagogisch gerahmten und forschungsgeleiteten Diskussion einer Mediendidaktik. Das ANW-Modell und die hier illustrierten Bedingungen bilden eine erste Ausgangslage, die dann auf der Basis von bildungs- und lerntheoretischen Annahmen, Aspekten der Lehr-Lern- und Wirkungsforschung sowie Adaptionen etablierter Mediendidaktiken diskutiert werden kann.

Literatur

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Autor und Autorin

Johannes Bonnes, Dr., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrgebiet Mediendidaktik im Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der FernUniversität in Hagen.

Julia Koller, Jun.-Prof. Dr., Juniorprofessorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung in der AG Weiterbildung und Medien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Review

Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch das Peer-Review und die Redaktionskonferenz am 11.05.2023 zur Veröffentlichung angenommen.

This article was accepted for publication following a qualitative peer review at the editorial meeting on the 11th May 2023.

Dies zeigt bspw. auch das 2019 gegründete Netzwerk Erwachsenenpädagogische Digitalsierungsforschung: https://www.sowi.uni-kl.de/paedagogik/forschung/projekte-erwachsenenbildung/ned-netzwerk-erwachsenenpaedagogische-digitalisierungsforschung.