Julia Franz

Gedanken zu einer erwachsenengerechten Didaktik: Ein-Denken, Be-Denken, Zusammen-Denken, Weiter-Denken, Anders-Denken

1 Ein-Denken

Didaktisches Handeln ist zweifelsohne in der Erwachsenenbildung ein prägendes und omnipräsentes Kernthema, das konzeptionell und empirisch vielfältig bearbeitet wird. Gleichwohl erscheint die didaktische Theoriebildung bis heute als „offenes Projekt“ (Meueler 2011). Die Entwicklung erwachsenengerechter didaktischer Theorieperspektiven lässt sich als verhalten beschreiben, da mitunter auch eine traditionsreich unterfütterte Orientierung an freiwillig und mündigen Lernenden sowie eine disziplinäre Abgrenzung zu schulpädagogischen Diskursen eine eigenständige Theorieentwicklung erschwert. Didaktisches Denken wird in der Erwachsenenbildung – historisch betrachtet – auch in mikrodidaktischen Modellierungen sichtbar, die sich in ihrer Grundstruktur am didaktischen Dreieck orientieren und – je nach zeitgenössischer Lage – die Ziele und Inhalte, die Gestaltung durch Lehrende oder das Lernen der Subjekte in den Mittelpunkt rücken (vgl. Stanik 2019). Die Offenheit des Projekts einer erwachsenengerechten Didaktik liegt also keineswegs daran, dass es an Auseinandersetzungen dazu fehle. Im Gegenteil – didaktische Denkansätze sind vielfältig, facettenreich und beinhalten weitreichende Prinzipien für die didaktische Handlungspraxis. Die Offenheit des Projekts besteht eher darin, die vorhandenen Überlegungen in entsprechenden Fachdiskursen zusammenzudenken, an einigen Stellen weiterzudenken und manchmal auch anders zu denken. Dazu werden im Folgenden verschiedene Vorschläge in systematisierender Absicht entfaltet. Um die dabei entstehende Komplexität zu reduzieren, wird im Beitrag die mikrodidaktische Perspektive entlang der Figur des didaktischen Dreiecks beleuchtet, während andere didaktische Handlungsebenen ausgespart bleiben. Zu Beginn wird im Modus des Be-Denkens betrachtet, wie Inhalte, Lehrende und Lernende in didaktischen Diskursen bislang thematisiert werden und welche blinden Flecken sich dabei zeigen (2). Danach erfolgt ein Zusammen-Denken, bei dem die mikrodidaktischen Eckpunkte in ihrer Relation zueinander betrachtet werden (3). Auf Basis dieser Beobachtungen wird ein Weiter-Denken der didaktischen Theoriebildung angeregt, bei dem ausgewählte Orientierungsperspektiven für eine erwachsenengerechte Didaktik reflektiert werden (4). Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer zum didaktischen Anders-Denken (5).

2 Be-Denken

Inhalte, Lehrende und Lernende wurden bislang in unterschiedlichen Fachdiskursen zum didaktischen Handeln vielfältig bedacht. Einige strukturelle Beobachtungen des bisherigen Forschungs- und Fachdiskurses werden an dieser Stelle zunächst mit einem „Be-Denken“ wahrgenommen und in erneute Erinnerung gerufen.

Inhalte: Im bisherigen theoretischen Nachdenken werden Inhalte meist in Abgrenzung zum schulpädagogischen Feld sowie im Modus der erwachsenenpädagogischen Freiheit thematisiert, wenn beispielsweise argumentiert wird, dass es keine vorgegebenen Curricula gäbe und damit große inhaltliche Spielräume bestehen würden (z. B. von Hippel et al., S. 95). Dadurch könne auch flexibel auf gesellschaftliche Entwicklungen und damit verbundene Bedarfe und Bedürfnisse reagiert werden. Eine weitere Beobachtung besteht darin, dass die Eigenlogik spezifischer Inhalte kaum thematisiert wird. Zwar gibt es bildungstheoretisch orientierte Überlegungen zu einer „perspektivischen didaktischen Reduktion“ (Tietgens 1992, S. 138), bei denen Inhalte entlang der Relevanz für Lernende strukturiert werden. „Nicht die Vereinfachung der Sachverhalte erscheint hier der geeignete Weg, vielmehr muss der Wegweiser die Relation von Voraussetzungen und Zielen der Lernenden sein. Gegenüber dem Lernüb­lichen und Lernbaren kommt es darauf an, das Lernrelevante ausfindig zu machen“ (ebd.). Inhalte werden hier allerdings – wie auch in subjektorientierten oder konstruktivistischen Ansätzen – in Abhängigkeit zu Lernenden betrachtet und argumentiert, dass Inhalte für Lernende relevant, viabel, neu und anschlussfähig sein müssten (vgl. Siebert 2012, S. 141). Bei dieser Form der Thematisierung gerät die Eigenlogik der Inhalte ebenso aus dem Blick wie fachdidaktische Überlegungen1 oder deren erwachsenenpädagogische Adaptionen einer „Aufgabenbereichsdidaktik“ (Tietgens 1992) bzw. einer „Fachbereichsdidaktik“ (Siebert 2012). Zusätzlich gibt es in der Erwachsenenbildung kaum domänenspezifische Lehr-/Lernforschungen (vgl. z. B. Kuper 2010), durch die spezifische Inhaltsbereiche untersucht werden. Ausnahmen stellen hier erste Forschungsansätze zum Fremdsprachenlernen (vgl. Nolda 2017) oder Überlegungen zu einer Didaktik der Alphabetisierung (vgl. Löffler & Weis 2016) oder Grundbildung (vgl. Brödel 2012) dar. Insgesamt kann aber für das bisherige fachliche Nachdenken über erwachsenengerechte Didaktik festgehalten werden, dass der Stellenwert von Inhalten im didaktischen Handeln nicht umfassend genug bedacht (vgl. z. B. auch Haberzeth 2011; Lehner 2013, Nolda 2001) und Fachdidaktik zuweilen auch als „Stiefkind“ bezeichnet wird (Nuissl von Rein 2011).

Lernende: Der erwachsene lernende Mensch wird seit den Anfängen des Nachdenkens über Didaktik in der Erwachsenenbildung fokussiert. Gerade in der historischen Abgrenzung zum erzieherisch orientierten didaktischen Handeln findet eine Konturierung eines mündigen Subjekts statt, das im Gegensatz zu Kindern oder Jugendlichen zwar nicht grundsätzlich anders lerne, aber seine Lernbegründungen und -motive „selbst entwickeln und artikulieren“ (Raapke 1985, S. 22) könne. Erwachsene Lernende werden damit als freiwillig und freiheitlich lernende Subjekte thematisiert. Diese traditionelle Subjektorientierung wird im didaktischen Denken durch konstruktivistische und subjektorientierte Ansätze der 1990er weiter zugespitzt. Lernende werden hier als autopoetische Systeme gedacht (vgl. z. B. Arnold & Siebert 2003), die zwar lernfähig, aber unbelehrbar seien (vgl. z. B. Siebert 2012, S. 35). Didaktisches Handeln wird damit als ermöglichendes Handeln gedacht, mit dem erwachsene Subjekte individuell in ihren Lern- und Entwicklungsprozessen begleitet werden. Auch im Fach­diskurs zu didaktischen Prinzipien in der Erwachsenenbildung wird der erwachsene Lernende vielfach thematisiert und hier besonders im Prinzip der Teilnehmendenorientierung mitsamt der weiteren Ausdifferenzierungen (z. B. Biografie-, Deutungsmuster- oder Lebensweltorientierung) als Individuum in den Mittelpunkt gerückt (vgl. Tietgens 1992, S. 18). Dabei fällt auf, dass kollektive Lernphänomene und das Lernen in Gruppen weniger intensiv bedacht werden. Zwar lässt sich lesen, dass die Dynamik, Disziplinierung und Heterogenität von Gruppen lernförderliche Differenzerfahrungen ermögliche (vgl. Siebert 2012; Arnold & Siebert 2003), eine systematische theoretische Reflexion der Lerngruppe steht jedoch noch am Anfang – beispielsweise, wenn theoretisch-konzeptionelle Perspektiven der Gruppenpädagogik für die Erwachsenenbildung reflektiert werden (vgl. Klaiber 2022). Zusammenfassend betrachtet werden Lernende im didaktischen Theoriedenken in der Erwachsenenbildung vor allem als mündige, erwachsene und freiheitliche Individuen gedacht, während die Bedeutung der Lerngruppe demgegenüber weniger stark berücksichtigt wird.

Lehrende: Lehrende werden bislang vor allem im Kontext von professionstheoretischen Fragen thematisiert. Das professionspolitische und forschungsbezogene Interesse richtet sich dabei auf die Zielgruppe der nicht systematisch qualifizierten Kursleitenden und auf deren Selbstverständnisse, Lehrorientierungen oder Kompetenzen (z. B. Schöb 2018; Harmeyer 2009). Im Kontrast zu allgemeindidaktischen Fachdebatten wird über die strukturelle Funktion von Lehrenden im Lehr-Lerngeschehen der Erwachsenenbildung bislang kaum nachgedacht. Mit der Konjunktur von konstruktivistischen Ansätzen, anhaltenden Debatten zu neuen Lernkulturen und zu Lernberatung werden paradigmatische Veränderungen in der Rolle von Lehrenden thematisiert und argumentiert, dass Lehrende nicht nur frontal Inhalte vermitteln, sondern individuelle Lernprozesse moderieren, begleiten oder beraten sollen (vgl. z. B. Schüssler & Thurnes 2005, S. 71). Wie diese veränderten Rollen strukturell im didaktischen Denken verstanden oder begründet werden, bleibt weitgehend offen, sodass sogar teilweise von einem „Verschwinden der Lehrperson“ (Reichenbach 2012) gesprochen wird.

3 Zusammen-Denken

Mit der Figur des didaktischen Dreiecks können Lehrende, Lernende und Inhalte nicht nur in ihrer Eigenständigkeit, sondern auch in ihrer Relation zueinander diskutiert werden. Die theoretische Kultivierung einer Relationsdidaktik wird von Hans Tietgens bereits 1992 gefordert:

„Es müsste vielmehr, wie schon mehrfach angekündigt, etwas entwickelt werden, was am treffendsten als Relationsdidaktik zu bezeichnen ist. Damit will signalisiert sein, daß bei der Vorbereitung von Erwachsenenbildungsangeboten mehrere Bedingungsfaktoren, verschiedene Planungskriterien und variierende Angebotsmodelle zu beachten sind. Es gilt die Wirkungszusammenhänge zu bedenken, die zwischen den Intentionen der Veranstaltungen, den Voraussetzungen und Perspektiven der erwarteten Teilnehmenden, dem Anforderungstypus des zu Lernenden sowie der inhaltlichen Gewichtung und Verlaufsstruktur des Vermittlungsprozesses entstehen können“ (Tietgens 1992, S. 96 f.).

Die Idee einer Relationsdidaktik wird von ihm zwar hinsichtlich makrodidaktischer Planungsperspektiven entfaltet, lässt sich aber gleichermaßen auf die mikrodidaktische Handlungsebene beziehen. Einschränkend weist Tietgens darauf hin, dass ein konsequentes relationales Denken aufgrund der Vielzahl an möglichen Verbindungen mit einer enormen Komplexität einhergehe. Daher sei es auch kaum möglich, die Idee der Relationsdidaktik zu nutzen, um konkrete didaktische Handlungskonsequenzen abzuleiten (vgl. ebd., S. 97). Vielmehr ginge es darum, das „Beziehungsgeflecht des didaktischen Denkens“ (ebd.) bewusst zu machen und es als „Reflexionsgerüst“ (ebd.) zu nutzen. Ausgehend von dieser Überlegung erfolgt im Folgenden ein weiteres Be-Denken, mit dem die mikrodidaktischen Relationen zwischen Inhalten, Lehrenden und Lernenden beleuchtet werden. Dabei soll sichtbar werden, an welchen Stellen ein noch intensiveres relationales Zusammen-Denken möglich wäre.

Lehrende und Lernende: Die Verbindung von Lehrenden und Lernenden wird im didaktischen Diskurs in Form von drei Relationsfiguren – Differenz, Passung und Asymmetrie – thematisiert. Mit der Figur der „Differenz“ werden Lernende und Lehrende aus systemtheoretischen und konstruktivistischen Theorieperspektiven in ihrer Differenz zueinander betrachtet. „Lehrende und Lernende sind unterschiedliche ‚Systeme‘ mit je verschiedenen Referenzen und Beobachtungsperspektiven“ (Siebert 2005, S. 12). Diese Differenz wird dabei als Ermöglichung von lernförderlichen Differenz­erfahrungen gesehen. Mit der Figur der „Passung“ wird das Verhältnis von Lehrenden und Lernenden als Anpassungsverhalten im situativen Prozessverlauf gedeutet. Exemplarisch steht dafür der Ansatz „Reading, Flexing and Reflecting“ (Hunt 1986), bei dem es darum geht, Teilnehmende zu beobachten und zu deuten (reading), darauf aufbauend das Lehrhandeln anzupassen (flexing) und dies metakommunikativ über den Lehr-Lernprozess im Zeitverlauf zu reflektieren (reflecting). Die Figur der „Asymmetrie“ wird nur in einzelnen strukturlogischen Überlegungen verhandelt und die Relation zwischen mündigen und erwachsenen Lernenden und einer kontextbezogenen Autorität von Lehrpersonen konturiert (vgl. Rhein 2013). Diese strukturelle Perspektive wird im didaktischen Denken der Erwachsenenbildung allerdings eher selten eingenommen2, sodass im (theoretischen) Zusammendenken von Lehrenden und Lernenden kaum über Asymmetrien nachgedacht wird.

Inhalte und Lernende: Wenn Inhalte und Lernende in Beziehung zueinander betrachtet werden, zeigt sich – wie bereits angedeutet –, dass Inhalte tendenziell in Abhängigkeit von den Lernenden gedacht werden. So wird argumentiert, dass Inhalte für Lernende bedeutsam und anschlussfähig sein müssten und durch eine „perspektivische didaktische Reduktion“ (Tietgens 1992, S. 138) entlang der antizipierten Relevanzen für Lernende zu strukturieren seien. Eine umgekehrte Richtung, nach der Lernende in Abhängigkeit von Inhalten betrachtet werden, kann in entsprechenden Fachdiskursen noch nicht ausfindig gemacht werden. Bei der Einnahme einer solchen Reflexionsperspektive ginge es zum Beispiel um Fragen dazu, welche Bildungsgehalte mit spezifischen Inhalten verbunden sind und welche Potenziale darin für Lernende bestehen.

Lehrende und Inhalte: Die Verhältnissetzung von Lehrenden und Inhalten spielt im didaktischen Denken der Erwachsenenbildung nahezu keine Rolle. Tendenziell wird Lehrenden hinsichtlich der von ihnen bearbeiteten Inhalte eine gewisse Fachexpertise zugeschrieben, die theoretisch durch eine „epistemische Autorität“ (Rhein 2013, S. 17) begründet wird. Empirisch weiß man beispielsweise dazu, dass dieses Fachwissen in der Planung von Kursen durch reflexive, instrumentelle, individualisierende, strukturelle, sach- und methodenbezogene, wissenschaftsorientierte oder erfahrungsbezogene Thematisierungsstrategien bearbeitet wird (vgl. Haberzeth 2010). Gleichwohl fehlt es an weiterführenden Überlegungen dazu, wie Inhalte und Lehrende theoretisch zusammengedacht werden können. Aus Perspektiven der Professionalisierung oder der Fachbereichsdidaktik wären hier Fragen zur Passung und zur Bedeutung von Expertise weiterführend.

Insgesamt wird im Be-Denken mikrodidaktischer Relationierungen deutlich, dass einige Verknüpfungen im didaktischen Dreieck stärker als andere bedacht werden. Interessant erscheint dabei insbesondere, dass Lehrende und Lernende in der Erwachsenenbildung kaum im Modus der Asymmetrie zusammengedacht werden und dass die Verbindung von Inhalten mit Lehrenden oder Lernenden im didaktischen Denken noch wenig durchdrungen erscheint.

4 Weiter-Denken

Um eine mikrodidaktische Perspektive auf Inhalte, Lehrende und Lernende und deren Relation zueinander weiter zu denken, wird im Folgenden an den herausgearbeiteten Beobachtungen und Desideraten angeknüpft und für ein inhalts-, struktur- und diversitätsorientiertes Weiter-Denken didaktischer Theoriebildung plädiert.

Erwachsenengerechte Didaktik inhaltsorientiert weiterdenken

In der Reflexion bestehender didaktischer Theorieansätze wurde eine marginale Betrachtung von Inhalten sichtbar, die sich als problematisch einschätzen lässt. Schließlich birgt eine inhaltslose didaktische Theorie die Gefahr, zu einem gegenstandslosen methodischen Moderationshandeln zu verkümmern. Gerade in sich schnell wandelnden Gesellschaften, einer unüberschaubaren Pluralisierung von Wissensbeständen und der Zunahme an Komplexität gewinnt inhaltsorientiertes didaktisches Theoriedenken an Bedeutung. Um eine solche Perspektive weiter zu denken, müsste in einem ersten Schritt über Begründungsmöglichkeiten von Inhalten jenseits curricularer Setzungen nachgedacht werden. Eine Möglichkeit wäre, systematisch an die Bildungsaufträge von anbietenden Bildungseinrichtungen anzuknüpfen, um Inhalte organisational zu legitimieren (vgl. Franz 2016). Darüber hinaus wäre auch eine Besinnung der antizipatorischen Funktion von Erwachsenenbildung (vgl. Nolda 2015) zielführend, um epochale Schlüsselfragen und damit zukunftsrelevante, komplexe und normativ fundierte Inhalte – z. B. Nachhaltigkeit, Klimawandel, Globalisierung, Gerechtigkeit, Digitalität – zu begründen. Die Stärkung einer inhaltsorientierten Perspektive wäre auch durch die Entwicklung und Adaption didaktischer Analyseinstrumente zur Erschließbarkeit von Inhalten denkbar, bei denen die Verknüpfungen zwischen Inhalten, Lernenden und Lehrenden strukturell ausbuchstabiert werden und über inhaltlich begründete Zu-Mutungen des Lernens (vgl. Rhein 2013, S. 18) ebenso nachgedacht wird, wie über die Passung von Lehrenden und Lerninhalten. Schließlich könnten durch eine inhaltsorientierte Perspektive fachbereichsdidaktische oder aufgabenbereichsdidaktische Zugänge reaktiviert werden, um strukturelle Differenzen von Inhaltsbereichen auszuarbeiten oder spezifischen Inhalten innewohnende Bildungsgehalte zu expli­zieren.

Erwachsenengerechte Didaktik strukturorientiert weiterdenken

Mit einer strukturorientierten Perspektive wird es möglich, pädagogische, asymmetrische Beziehungen unter erwachsenen Menschen weiter zu denken. Traditionell wird sich in der Erwachsenenbildung seit der Weimarer Republik davon abgegrenzt, mündige Menschen zu erziehen oder zu belehren. Diese Haltung spiegelt sich auch in dem um die Jahrtausendwende einsetzenden Paradigmenwechsel von der Vermittlung zur Ermöglichung wider, mit dem Lehrenden zunehmend die Funktion zugeschrieben wird, Lernende zu begleiten. Dabei wird tendenziell ein partnerschaftliches Bild des Lehrens und Lernens auf Augenhöhe gezeichnet, mit dem eine strukturell notwendige asymmetrische pädagogische Beziehung aus dem Blick gerät. Schließlich basieren alle institutionalisierten Lehr- und Lernsettings strukturell auf Wissens-, Erfahrungs- und Verantwortungsdifferenzen zwischen Lehrenden und Lernenden – und zwar unabhängig von der Altersdifferenz. Da diese strukturelle Selbstverständlichkeit in der Erwachsenenbildung eher implizit unterstellt als explizit reflektiert wird, bietet es sich an, eine erwachsenengerechte Didaktik strukturorientiert weiter zu denken und an bestehende Vorschläge zur „Autorität“ von Lehrenden anzuschließen. So schlägt Rüdiger Rhein eine strukturelle Differenzierung vor, nach der Autorität pädagogisch in Bezug auf die Gestaltung des Lehr-Lernprozesses, epistemisch hinsichtlich der inhaltlichen Expertise und strukturell mit Blick auf die Evaluation und Bewertung von Lernprozessen begründet werden kann (vgl. Rhein 2013, S. 19). Vermittelndes oder begleitendes Handeln von Lehrenden könnte so strukturell gefasst werden. Damit würde zu einer theoretischen Klärung von Lehrrollen und -funktionen ebenso beigetragen werden wie zu einer Reflexion des Verhältnisses zwischen symmetrischen und asymmetrischen Beziehungen in Lehr- und Lernprozessen. „Auf Seiten der Lehrenden bedarf es dazu eines pädagogischen Ethos, das das empfindliche Zusammenspiel zwischen symmetrischer Partnerschaftlichkeit unter Erwachsenen und asymmetrischer Rollenverteilung zwischen Lernenden und Lehrenden reguliert“ (Rhein 2013, S. 19). Mit dem Verweis auf ein notwendiges pädagogisches Ethos, durch das (A)Symmetrien beobachtet und bearbeitet werden können, wird didaktisches Handeln in strukturtheoretische Professionalitätsdiskurse eingebettet, bei dem Widersprüche, Antinomien und Paradoxien eine zentrale Grundfigur pädagogischer Professionalität darstellen (vgl. Helsper 2004). Diese Perspektive wird in der Erwachsenenbildung bislang fast nur zur theoretischen Reflexion makrodidaktischer Handlungsstrukturen genutzt (vgl. von Hippel 2011). Zum Weiter-Denken einer erwachsenengerechten (Mikro)Didaktik beinhaltet diese strukturorientierte Perspektive die Chance, widersprüchliche Situationen in Lehr- und Lernsettings systematisch und in ihrer unauflösbaren Struktur zu reflektieren.

Erwachsenengerechte Didaktik diversitätsorientiert weiterdenken

Lerngruppen in der Erwachsenenbildung zeichnen sich in der Regel durch heterogene, plurale und vielfältige Zusammensetzungen aus, die in der didaktischen Theoriebildung noch nicht umfassend berücksichtigt werden. Diversität wird letztlich individualisiert über die ausdifferenzierten Orientierungen zu Teilnehmenden betrachtet. Eine erwachsenengerechte Didaktik diversitätsorientiert weiter zu denken bedeutet allerdings auch, die Heterogenität von Gruppen im Anschluss an bestehende Gedanken zu einer intersektionalen Didaktik theoretisch systematischer zu fassen (vgl. Perko & Czollek 2008). Differenzierende Struktur- und Deutungskategorien (z. B. Generation, Gender, Milieu, Bildung, Deutungsmuster, Lebensgeschichte, Lebenswelten) können so in ihrer Relation zueinander betrachtet und die daraus resultierende Diversität sichtbar gemacht werden. Damit kann an das in schulpädagogischen Diskursen breit diskutierte Konzept der Binnendifferenzierung3 angeschlossen werden, über das in der Erwachsenenbildung entweder vornehmlich konzeptionell nachgedacht (vgl. Aschemann et al. 2011) oder nur für einzelne Strukturkategorien wie „Gender“ oder „Generation“ reflektiert wird (vgl. Schlüter & Bartels 2012, Franz 2014). Mit einer diversitätsorientierten Perspektive kann erwachsenengerechte Didaktik hingegen konsequent diversitätssensibel weitergedacht werden. Darüber hinaus beinhaltet eine didaktische Orientierung an Diversität einen weiteren Aspekt. So setzen sich heterogene Lerngruppen in der Erwachsenenbildung vornehmlich aus freiwillig teilnehmenden Individuen zusammen. Vor diesem Hintergrund werden in Kursen Ordnungs- und Regelstrukturen etabliert (z. B. Regeln zur Pünktlichkeit oder Gesprächs- und Feedbackregeln) und damit Rahmungen für den gemeinsamen Lernprozess ausgehandelt.4 Dies erscheint anschlussfähig an Überlegungen zu Formen der pädagogischen „Disziplinierung“, bei der es um „Formen zur Herstellung eines Commitments hinsichtlich der gemeinsam verantworteten Gestaltung des Lehr-/Lernsettings“ (Rhein 2013, S. 17) geht. Interessant ist diese Perspektive auch im Hinblick auf die schulpädagogische Idee des Classroom Managements, die für die Erwachsenenbildung bislang – aufgrund der Betonung der Eigenverantwortlichkeit mündiger Teilnehmender (vgl. Dinkelaker 2010; Herrle 2013) – als wenig relevant eingeschätzt wurde. In einer Situation, in der Lerngruppen immer diverser und vielfältiger werden, erscheint es für eine erwachsenengerechte Didaktik wichtig, ein diversitätsorientiertes Kursmanagement theoretisch zu durchdenken. Schließlich geht es dabei auch um etwas, was die Erwachsenenbildung seit ihren Anfängen prägt und für ihre Zukunft bedeutsam ist: Es geht um das strukturierte Aushandeln gemeinsam geteilter Bedingungs- und Beteiligungsstrukturen und damit auch um ein Erproben einer „Demokratie im Kleinen“.

5 Anders-Denken

Das Gedankenspiel endet mit dem Plädoyer, im didaktischen Weiterdenken auch anders zu denken. Wenn es darum geht, Überlegungen zu einer erwachsenengerechten Didaktik systematisch weiterzuentwickeln, kann das „offene Projekt“ auch anders betrachtet werden. Die Chance liegt dabei darin, jenseits disziplinärer Abgrenzungen eine relationale didaktische Theoriebildung aus einer selbstbewussten disziplinär begründeten Haltung heraus zu entwickeln. Damit ist letztlich gemeint, eine erwachsenengerechten Didaktik bzw. erwachsenengerechte Didaktiken vielfältig und plural weiter zu denken: Dies betrifft zum einen die fachliche Ausrichtung, die per se im Plural zu denken ist und je nach fachlichem Inhalt und Gegenstand differenziert werden muss. Zum anderen betrifft dies auch Offenheit für Anregungen und Inspirationen durch anschlussfähige Überlegungen aus anderen Subdisziplinen.5

Der für die Erwachsenenbildung prägende Gedanke der Relationalität bildet dabei – wie auch in diesem Beitrag – ein Fundament des mikrodidaktischen Denkens und bietet zugleich Anschlussmöglichkeiten für den Einbezug makrodidaktischer Handlungsebenen. Im Anschluss an die Differenzierung von didaktischen Handlungsebenen im Mehrebenensystem der Erwachsenen- und Weiterbildung (siehe den Beitrag von Kulmus, Stimm & von Hippel in diesem Heft) erscheint es lohnenswert, die Relation verschiedener Handlungsebenen (z. B. Organisation, Bildungspolitik) auf die mikrodidaktischen Dimensionen theoretisch und systematisch weiter zu denken und empirisch tiefer zu beforschen (zu Überlegungen für eine organisationale Perspektive auf Didaktik vgl. Franz 2016).

Darüber hinaus könnte ein inhalts-, struktur- und diversitätsorientierter Zugang zu einer erwachsenengerechten Didaktik auch das Mitdenken gesellschaftlicher Transformationsprozesse integrieren. Gesellschaftliche Transformationsprozesse führen letztlich auch immer zu veränderten Lernumwelten bzw. Lebenswelten erwachsener Menschen. Diese Veränderungen können in der didaktischen Theoriebildung (in der Praxis werden sie das sicherlich) noch stärker berücksichtigt werden. Beispielsweise verändert das Phänomen Digitalität die Lerngelegenheiten im Erwachsenenalter. Sprachen können über Apps erlernt werden, YouTube Tutorials stellen Erläuterungen und praktische Handlungsanleitungen zu einer unüberschaubaren Menge an Themen bereit. Dadurch potenzieren sich informelle (digitale) Lerngelegenheiten für lernende Erwachsene, die – im Sinne einer erwachsenengerechten Didaktik – in Relation zum didaktischen Handeln in der (non) formalen Erwachsenenbildung mitgedacht werden könnten.

Literatur

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Autorin

Julia Franz, Prof. Dr., Professorin für Erwachsenenbildung und Weiterbildung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

Review

Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch das Peer-Review und die Redaktionskonferenz am 11.05.2023 zur Veröffentlichung angenommen.

This article was accepted for publication following a qualitative peer review at the editorial meeting on the 11th May 2023.

Die Eigenlogik der Inhalte kommt in der theoretischen Betrachtung nicht in den Blick, da eine fachdidaktische Auseinandersetzung weitgehend aus dem Diskurs verschwunden ist. Während in früheren Didaktikhandbüchern „Fächer und Sachgebiete“ noch umfassend mit Überlegungen zu kultureller Bildung, Mathematik oder Ökologie thematisiert wurden (vgl. Raapke & Schulenberg 1985), finden sich aktuell kaum ähnliche ausdifferenzierte Überlegungen in Hand- oder Lehrbüchern zu Didaktik der Erwachsenenbildung.

Im Kontext des Diskurses um pädagogische Beratung wird die Asymmetrie zwischen Beratenden und Ratsuchenden explizit thematisiert und zwischen einer funktionalen Asymmetrie und einer personalen Symmetrie unterschieden (vgl. Fuhr 2003, S. 39).

Formen der äußeren Differenzierung werden in der Erwachsenenbildung bereits mit dem Prinzip der Zielgruppenorientierung bearbeitet.

Empirisch wird dieses Phänomen in Studien zur videografischen Kursforschung sichtbar, in denen z. B. die Aushandlung von Anfangssituationen (vgl. Herrle & Nolda 2010) oder der Prozess der aufmerksamen Teilnahme (vgl. Dinkelaker 2010) sequenziell beobachtet werden.

Beispielsweise könnte die Idee der Relationsdidaktik auch mit Überlegungen zu einer evolutionären Didaktik gewinnbringend verknüpft werden (vgl. Scheunpflug 2001).