Claudia Kulmus, Maria Stimm, Aiga von Hippel

Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung

Zwischen reflexiver Vergewisserung und aktuellen Herausforderungen

1 Einleitung

Didaktik gehört zu den zentralen und ältesten Themen der Erwachsenenbildung und ist dabei so „klassisch“ wie aktuell: Klassisch, weil die Kernaufgabe – und damit das zentrale Definitionsmerkmal – der Erwachsenenbildung darin besteht, Erwachsene in ihrem Lernen zu unterstützen; aktuell, weil die individuellen, organisationalen und gesellschaftlichen Bedingungen für Bildung, Lernen und didaktisches Handeln nicht starr sind, sondern sich beständig verändern und entwickeln. Wege der Lernunterstützung müssen daher immer wieder aktualisiert und konkretisiert werden. Insofern ist es auch zentrale Aufgabe der Erwachsenenbildung, aktuelle gesellschaftliche Veränderungen aufzunehmen und zugleich „klassisch“-didaktisch zu reflektieren. Es bleibt Aufgabe der Erwachsenenbildungswissenschaft, dies forschend zu begleiten (von Hippel et al. 2022).

Vor diesem Hintergrund bündelt der folgende Überblicksbeitrag aus unserer Sicht zentrale „klassische“ didaktische Themenbereiche und verweist damit auf relevante Wissensbestände zur Reflexion didaktischen Handelns (2). Er zeigt zudem deren unterschiedliche Ausgestaltung auf verschiedenen didaktischen Ebenen, um so ein breites Verständnis von Didaktik für die Erwachsenenbildung zu stärken (3). Als aktuelle Herausforderungen werden dann Digitalisierung und Inhaltlichkeit entlang dieser Handlungsebenen diskutiert (4). Der Beitrag schließt mit Überlegungen für die Professionalitätsentwicklung in der Erwachsenenbildung (5).

2 Didaktik: Kernaufgabe der Erwachsenenbildung mit einer Vielfalt an Wissensbeständen

Als Kernaufgabe der Erwachsenenbildung zielt Didaktik auf Fragen zur Vermittlung zwischen Lernenden und Lerninhalt(en). Dazu sei an die grafische Darstellung des didaktischen Dreiecks erinnert, welches vorrangig das Verhältnis zwischen Lernenden, Lehrenden und Lerninhalt(en) abbildet. Es zeigt die (zunächst von Distanz geprägte) Beziehung zwischen Lernenden und Lerninhalten und die Rolle der Lehrenden bei der Vermittlung: Ohne diese Distanz gäbe es gar nichts zu lernen. Der Lerninhalt hat eine gewisse Eigenlogik (nach Siebert 2012, S. 10: „Sachlogik“), die der „Psychologik“ der Lernenden (ihren individuellen Voraussetzungen und Motivstrukturen) gegenübersteht. Lehrenden kommt dabei die anspruchsvolle Aufgabe zu, potenzielle Lern- und damit Lehrinhalte nicht nur auszuwählen, sondern zwischen Lernenden und Inhalten zu vermitteln und damit Lernende beim zentralen Prozess der Aneignung von Inhalten zu unterstützen. Dies tun sie u. a. über den Einsatz von Methoden, für deren Auswahl sie maßgeblich (mit-)verantwortlich sind (von Hippel et al. 2022). In dieser Fassung des Begriffs wird herausgestellt, dass pädagogisches Handeln immer ein eingreifendes – professionelles – Handeln ist, für das theoretisch fundierte Modelle und Konzepte Orientierung geben können, indem sie begründete Entscheidungen und Positionierungen ermöglichen.

Zugleich kann didaktisches professionelles Handeln nicht rezepthaft oder standardisiert durchgeführt werden, sondern ist von Ungewissheiten und auch Unsicherheiten geprägt. Es kann damit auch als „Suchbewegung“ (Tietgens 1982) zwischen u. a. Planenden, Lehrenden und Lernenden beschrieben werden, in der es gilt, Bedürfnisse und Erwartungen der Adressatinnen bzw. Adressaten und Teilnehmenden zu antizipieren, zu identifizieren und gleichzeitig Interesse für unterschiedliche Themen zu wecken, aber auch die Suche der Adressatinnen und Adressaten nach einem für sie angemessenen Angebot im Blick zu haben. Der Begriff der (anthropologisch begründeten) Suchbewegung beschreibt damit die Charakteristika von Erwachsenenbildung (vgl. von Hippel 2022). Planende wie Lehrende legen Bildung und Bildungsbedarfe interpretativ in ihrem didaktischen Handeln aus und transformieren Themen/Inhalte in Bildungsangebote.

Daran anschließend legen wir einen umfassenden Begriff von Didaktik zugrunde. Dieser fokussiert die Gestaltung von Lern- und Bildungsgelegenheiten Erwachsener auf Modelle und Konzepte des Lehrens und kann damit konkretes Handeln orientieren. Er erfordert aber auch die Reflexion des erwachsenenpädagogischen Handelns und vereint dabei theoretische Annahmen, beispielsweise zu Lernen und Bildung, und normative Setzungen nach u. a. gesellschaftlich gerahmten „wertvollen“ Bildungszielen (vgl. von Hippel et al. 2022; Klafki 1972). Didaktik ist demnach durch einen normativen Anspruch sowie eine Analyse- und Reflexionsperspektive geprägt.

Für die Reflexion und Analyse der didaktischen Gestaltung sind im Sinne eines professionellen pädagogischen Handelns Wissensbestände notwendig, mit denen die Bedingungen des Lernens Erwachsener gefasst werden und die es ermöglichen, der jeweiligen Situation und den Beteiligten Rechnung zu tragen. Abbildung 1 zeigt solche Wissensbestände und ihre Zusammenhänge auf (vgl. von Hippel et al. 2022): Lerntheorien entfalten Relevanz, da didaktisches Handeln theoretisch wie praktisch von Annahmen über Lern- bzw. Bildungsprozesse mitbestimmt ist. Pädagogisch tragfähige Lerntheorien sind hier besonders in den Blick zu nehmen, weil Lernen und/oder Bildung in pädagogischer Perspektive nicht ohne den Inhaltsaspekt auskommen: Wie eignen sich Menschen die Welt an? Wie können sie ihr Verhältnis zur Welt und zu sich gestalten? Didaktische Modelle wiederum stellen Klärungs- und Systematisierungsversuche in Bezug auf Ziele, Intentionen, Themen und Methoden des Lehrens dar. In ihrer modellie­renden Funktion orientieren sie demnach das Planen von Lernunterstützungsarrangements, in ihrer heuristischen Funktion dienen sie zur Reflexion von Möglichkeiten und Grenzen des Lernens und Lehrens. Als wegweisende Orientierung für die Verortung neuer Ansätze hat sich die bildungstheoretische Didaktik von Klafki (1972) erwiesen, in deren „kategorialer“ Bildung sowohl der inhaltliche (materiale) Aspekt als auch die Aneignungsprozesse selbst verbunden werden. Didaktische Prinzipien1 stehen neben und gleichzeitig verbindend zwischen theoretischen Annahmen der didaktischen Modelle, normativen Setzungen zur Bildungsarbeit mit Erwachsenen, empirischen Erkenntnissen und der Methodenauswahl (vgl. Flechsig 1983; zur aktuellen Systematisierung von Modellen und Prinzipien siehe auch Stanik 2020). Da sie allgemeiner als konkrete Handlungsempfehlungen sind, haben sie vorrangig eine „Orientierungsfunktion“ (Beyer 2014, S. 3) und enthalten Gestaltungshinweise für Entscheidungen im didaktischen Handeln (zu den konkreteren didaktischen Entscheidungsfeldern siehe Stanik 2016), ohne dass diese über die didaktischen Prinzipien eindeutig festgeschrieben wären. Neben diesen theoretisch-konzeptionellen Wissensbeständen gibt es zunehmend auch Erkenntnisse aus empirischen Analysen (z. B. aus der Lehrforschung, Lern­forschung, Interaktionsforschung, Programm(planungs)forschung, Organisationsforschung), die über vielfältige Zugänge die Komplexität didaktischen Handelns abbilden und bspw. die konkrete, situationsbezogene Ausgestaltung von Entscheidungsfeldern aufzeigen (z. B. Haberzeth 2010; Stanik 2016; Fleige et al. 2022).

Abbildungen

Abbildung 1: Zusammenhänge zwischen Theorien, Modellen, Prinzipien und Methoden (von Hippel et al. 2022, S. 112)

Die konzeptionellen wie reflexiven Handlungsanforderungen und entsprechend notwendigen Wissensbestände finden sich in der organisierten Erwachsenenbildung ebenso wie in Kontexten außerhalb dieser Strukturen (von Hippel & Stimm 2020). Sie sind Teil der zentralen Aufgabe, Lernen Erwachsener zu ermöglichen – nicht nur durch Lehrende im engeren Sinne, sondern auch durch hauptberuflich tätige pädagogische Mitarbeiter*innen, Verwaltungspersonal und auch Leitungspersonen in Bildungseinrichtungen, die alle (im weitesten Sinne) didaktisch handeln (von Hippel et al. 2022). Die professionellen pädagogischen Entscheidungen finden demnach auf verschiedenen didaktischen Handlungsebenen statt, die im Folgenden aufgezeigt werden.

3 Didaktische Handlungsebenen – ein breites Verständnis von Didaktik

Didaktik in einem breiten Verständnis bezieht verschiedene didaktische Handlungsebenen mit ein. Das professionelle pädagogische Handeln findet dabei vor dem Hintergrund unterschiedlicher Anforderungen und eingebettet in strukturelle Rahmenbedingungen statt, die Einfluss auf die Gestaltungsspielräume haben. Diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen werden vor allem über Mehrebenenmodelle analytisch und empirisch abgebildet. Sie zeigen Bedingungsfaktoren und Abhängigkeiten der didaktischen Gestaltung auf. Vor allem zwei Mehrebenenmodelle werden in der Erwachsenenbildung breit rezipiert, da sie, obgleich unterschiedlich theoretisch eingeordnet, differenziert didaktische Handlungsbereiche darstellen und im Bildungssystem verorten (siehe Abbildung 2): Dies ist zum einen das Modell der (fünf) didaktischen Handlungsebenen, wie sie von Flechsig und Haller (1975) für die Schule eingebracht und in der Erwachsenenbildung adaptiert wurden; zum anderen handelt es sich um das Mehrebenenmodell von Schrader (2011), das stärker organisations- und institutionenbezogen ausgelegt ist.

Das mikrodidaktische Handeln in der Lehre meint die direkte Interaktion der Lehrenden und Lernenden in einem Angebot der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Je nach begrifflicher Definition wird die Vorbereitung und Planung sowie Nachbereitung und Evaluation eines konkreten Angebots ebenfalls als mikrodidaktisches Handeln bezeichnet (oder als Angebotsplanung dem mesodidaktischen Handeln zugerechnet).

Das mesodidaktische Planungshandeln wiederum ist zuständig für das Lernarrangement einer Einrichtung und legt die inhaltlich-konzeptionelle Basis für deren Lernkultur (vgl. Fleige & Robak 2018). Unterschiedliche Programmplanungsmodelle bilden dies theoretisch-empirisch ab (vgl. von Hippel 2017). Zu den didaktischen Handlungsfeldern auf der Mesoebene (mit Bezügen und Abstimmungen zur Mikro- und Makroebene), bei denen didaktische Entscheidungen im Planungsprozess getroffen werden müssen, gehören als zentrale „Wissensinseln“ nach dem Modell von Gieseke (2003, S. 208; erweitert in Gieseke et al. 2022) unter anderem: Auswahl und Strukturierung der Themen, Auswahl und Ansprache von Zielgruppen, Bedarfsanalyse, Profilbildung, Finanzierung, Auswahl der Lehrenden. In den aus den Planungsprozessen resultierenden Programmen werden dann die zugrunde liegenden, einrichtungsspezifischen Lehr- und Lernkonzepte über Inhalte, Strukturen und Organisation der Bildungsangebote sichtbar. Sie sind damit bildungstheoretisch gedeutet Ausdruck gesellschaftlicher Prozesse und unter bildungswissenschaftlicher Einordnung Ausdruck des mesodidaktischen Planungshandelns (vgl. Fleige et al. 2019).

Die makrodidaktische Ebene ist vor allem als Rahmung didaktischen Handelns relevant, z. B. als bildungspolitische Ebenen in den Mehrebenenmodellen (Schrader 2011; Franz 2016 zu einer organisationstheoretischen Rahmung von Lehrkulturen). Demnach werden im engeren Sinn didaktische Entscheidungen (auch fachdidaktische) v. a. auf der meso- und mikrodidaktischen Ebene getroffen. Auf diesen Ebenen

Abbildungen

Abbildung 2: Mehrebenenmodelle und Verortung der didaktischen Handlungsebenen auf Mikro-, Meso- und Makroebene2 (eigene Darstellung)

findet also im Kern pädagogisches Handeln statt. Gleichwohl geht es auf allen Ebenen darum, Erwachsene in ihrem Lernen zu unterstützen, über entsprechende Entscheidungen bezogen auf Inhalte, Methoden, Medien etc. sowie über die Gestaltung von organisationalen und politischen Rahmenbedingungen.

4 Aktuelle Herausforderungen

Neben diesen „klassischen“ didaktischen Themen gilt es für professionelle Erwachsenenbildner*innen gleichzeitig aktuelle Entwicklungen wahrzunehmen, zu reflektieren und ggf. angemessen in das didaktische Handeln zu integrieren. Aus unserer Sicht sind aktuell vor allem zwei Herausforderungen konzeptionell wie auch theoretisch-empirisch zu bearbeiten: Dies sind zum einen Fragen der Digitalisierung, gerade wenn sie über den Einsatz von synchronen Unterrichtsmöglichkeiten als Notlösung hinausgehen, und es sind Fragen der Inhaltlichkeit von Lehre, konkreter die Bearbeitung von drängenden gesellschaftlichen Themen.

Digitalisierungsfragen gewinnen aktuell auf unterschiedlichen Ebenen (wieder) an Relevanz. Sie wurden befördert durch die Pandemie und das damit verbundene zwischenzeitliche Verbot von Präsenzveranstaltungen (z. B. HBV, 2/2021; ZfW, 3/2021, 2/2022). Dieses Verbot und das Angebot moderner Konferenzsoftware (z. B. BigBlueButton, Zoom, Skype, WebEx, aber auch Möglichkeiten z. B. digitaler Whiteboards) hat auf der Mikroebene zur Entwicklung von digitalen, aber synchronen Weiterbildungsangeboten mit entsprechenden methodischen Neuerungen geführt. Zu jüngeren Entwicklungen auf dieser Ebene gehört daneben die Entstehung von MOOCs, Webinaren, Flipped-Classroom-Konzepten oder Learning Apps (Klinge 2020; Haberzeth & Sgier 2019), die v. a. in der Medienpädagogik verhandelt werden (Kerres 2012; Pietraß 2020) und asynchron eingesetzt werden können. Zudem werden ganz aktuell verstärkt die Chancen und Risiken von Formen der künstlichen Intelligenz diskutiert (Reinmann 2023), z. B. der Einsatz von Game based learning als methodischer Konstruktion, die KI-gestützte Erstellung von Lehrmaterialien, eine Unterstützung von Menschen mit geringeren Deutsch-Sprachkenntnissen durch Übersetzungstools oder die Unterstützung bei Bewertungen von Teilnahmeleistungen (z. B. DIE 2019; Meb 2022). Inwieweit solche „neuen“ (bzw. jetzt weiter verbreiteten) digitalen Möglichkeiten aber dauerhaft in didaktische Konzepte der Wissensvermittlung und -aneigung auch in der Erwachsenenbildung überführt werden, wird sich erst noch erweisen.

In einer mesodidaktischen und organisationsbezogenen Perspektive gehen damit Möglichkeiten auf der Ebene der Programmplanung einher, etwa durch eine KI-gestützte Formulierung von Kursankündigungen oder gar die Unterstützung bei Anträgen (Albers-Heinemann 2023). Gleichzeitig rücken auch Fragen der strategischen Ausrichtung als Bildungsanbietende ins Blickfeld. Die Möglichkeit, Angebote digital oder hybrid zu gestalten und damit auch überregional aktiv zu werden (Klemm & Repka 2021; Kulmus 2022), erfordert Entscheidungen; nicht nur über die Etablierung entsprechender Formate, sondern auch darüber, wie Anbietende sich in einem zunehmend auch durch digitalisierte Bildungsangebote veränderten Markt positionieren wollen, welche Zielgruppen sie wie ansprechen wollen und wie sie ihr Profil (und evtl. Geschäftsmodell) weiterentwickeln wollen (Klemm & Repka 2021; Sauter 2017; Haberzeth & Dernbach-Stolz 2022; Grotlüschen 2018). Damit sind letztlich auch, zumindest bei öffentlich geförderten Anbietenden, Fragen der Makroebene angesprochen, etwa wenn es um die Auslegung öffentlicher Verantwortung geht. Eine flächendeckende (Grund-)Versorgung mit Weiterbildung kann allein durch digitale Angebote allenfalls in Teilen eingelöst werden (Fleige et al. 2022).

Zu aktuellen Herausforderungen gehören mit neuer Dringlichkeit auch Fragen nach der Bedeutung von Inhalten (und damit der materialen Seite von Bildung) – sowohl gegenüber der Gefahr einer Reduktion auf methodische oder formatsbezogene Aspekte (gerade angesichts der genannten digitalen Möglichkeiten) als auch mit Blick auf aktuell nicht nur relevante, sondern drängende Themen (Dinkelaker & Stimm 2022; Kulmus 2021; Schüßler 2020). Der Auftrag an die Erwachsenenbildung, gesellschaftlich relevante Inhalte wissenschaftsorientiert (von Hippel et al. 2022) einzubringen und zugleich Methoden des Umgangs mit Wissen zu vermitteln, hat sich als Herausforderung sowohl in der Pandemie gezeigt, als auch bspw. mit Blick auf die Klimakrise, auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die aus diesen Krisensituationen resultierende Befürchtung gesellschaftlicher Spaltung. Angesichts der Krisen- oder Transformationswahrnehmungen der letzten Jahre lässt sich die Relevanz von „Schlüsselproblemen“ (Klafki 1992) und ihre Übersetzung in didaktisches Handeln neu diskutieren. Es gilt, sie zudem in ein Verhältnis zum Anspruch einer erhöhten „Outputorientierung“ zu setzen (Dehnbostel 2011). Vermittlungsfragen müssen also nicht nur methodisch, sondern auch inhaltlich immer wieder neu gestellt und mit dem (Bildungs-)Anspruch verbunden werden, dass Wissen und Bildungsinhalte in ein Handeln in gesellschaftlicher Verantwortung überführt werden (Klafki 1998).3

Auch inhaltsbezogen sind damit die unterschiedlichen didaktischen Ebenen adressiert: Auf der Makroebene ist die Frage nach der öffentlichen Verantwortung für Bildung und damit auch für die Förderung von inhaltlichen Bereichen (z. B. der politischen Bildung, Hufer 2016; Meisel 2019) angesprochen. Auf der Mesoebene ist die Ausrichtung eines/einer Anbietenden adressiert und ebenso die Frage nach Verbindungen von beruflicher, allgemeiner und politischer Bildung auf Programm- oder Fachbereichsebene. Gleichzeitig kommen die Programmplanung und ihre seismografische Entscheidung für Inhalte in der Aushandlung mit (artikulierten oder antizipierten) Teilnahmebedarfen in den Blick; zudem kann über die Platzierung von Themen und die Dozierendenauswahl der immer wichtiger werdenden Wissenschaftsorientierung Rechnung getragen werden. Auf der Mikroebene wird entsprechend die Ausgestaltung von Themen (z. B. Faulstich & Bachmayer 2002; Haberzeth 2010) mit Blick auf die Unterstützung der Aneignung durch Lehre, aber auch mit Blick auf langfristige Lerneffekte bei Teilnehmenden und den Transfer in eine gesellschaftlich verantwortliche Lebensführung (z. B. Schüßler 2020) relevant.

5 Ausblick

Schlussendlich verbinden sich hier die Fragen der Digitalisierung und der Bedeutung von Inhalten bzw. dem zu vermittelnden Wissen: Zahlreiche (echte und vermeintliche) Wissensquellen stehen nicht nur durch Weiterbildungseinrichtungen zur Verfügung, sondern auch durch soziale Medien, sei es in Form virtueller Communities, etwa in Twitter, Mastodon oder Youtube, oder aber auch in Form sogenannter Weiterbildungsangebote bspw. von Linkedin ohne erwachsenenpädagogische Expertise (Grotlüschen 2018), deren pädagogische Qualität daher weder abgesichert noch durch Teilnehmende problemlos eingeschätzt werden kann. Informelles Lernen könnte so zwar auf den ersten Blick leichter möglich werden, zugleich wird es aber noch voraussetzungsreicher.

In Zeiten, in denen durch soziale Medien und digitale „Bubbles“ zunehmend auch Falschnachrichten verbreitet werden, wächst die Notwendigkeit, die Herkunft vermeintlicher Informationen prüfen und einschätzen zu können. Daraus resultiert die verstärkte Herausforderung, entlang von Inhalten auch wissenschaftliches Denken zu vermitteln. Das beinhaltet auch, für die „Produktionsbedingungen“ wissenschaftlicher Erkenntnisse, ihrer Vorläufigkeit und ggf. Interessen- oder Perspektivgebundenheit zu sensibilisieren und so auch informelles Lernen mittelbar zu unterstützen.

Solche aktuellen Entwicklungen gilt es nicht nur didaktisch zu gestalten, sondern auch empirisch zu erforschen und in der Wissenschaftscommunity zu diskutieren. Hier liegen daher nicht nur mikro- und mesodidaktische Aufgaben, sondern auch Herausforderungen der professionellen Positionierung von Weiterbildungsanbietenden und professionellem Personal durch eine explizite pädagogische Qualität. Hierzu ist der Wert einer generalistischen universitären Ausbildung von Erwachsenenbildnerinnen und -bildnern gegenüber hochspezialisierten, oft eher methodenorientierten Aus- und Weiterbildungsangeboten zu betonen, die es den professionell Handelnden ermöglicht, über fundiertes didaktisch-pädagogisches Wissen, Reflexivität und Begründungsfähigkeit auf Basis von Wissen zu verfügen und entsprechend das eigene Handeln auszurichten (zur kritischen Diskussion von Professionalisierungsfragen der Erwachsenenbildung siehe z. B. HBV 1/2020).

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Autorinnen

Claudia Kulmus, Prof. Dr., Juniorprofessur für Erwachsenenbildung, Universität Hamburg, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Fachbereich Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen

Maria Stimm, Dr., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Philosophische Fakultät III – Erziehungswissenschaften, Institut für Pädagogik, Arbeitsbereich Erwachsenenbildung/Weiterbildung

Aiga von Hippel, Prof. Dr., Lehrstuhl für Erwachsenenbildung/Weiterbildung, Humboldt-Universität zu Berlin, Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät, Institut für Erziehungswissenschaften

Review

Dieser Beitrag wurde nach der qualitativen Prüfung durch das Peer-Review und die Redaktionskonferenz am 11.05.2023 zur Veröffentlichung angenommen.

This article was accepted for publication following a qualitative peer review at the editorial meeting on the 11th May 2023.

Für die Erwachsenenbildung besonders identitätsstiftende didaktische Prinzipen sind u. E. die Prinzipien der Adressaten- und Zielgruppenorientierung, der Teilnehmerorientierung, der Sach- und Inhaltsorientierung sowie der Handlungs- und Situationsorientierung (vgl. Hippel et al. 2022).

Im Modell der didaktischen Handlungsebenen nach Flechsig und Haller (1975) lassen sich die B- und C-Ebene sowie die D- und E-Ebene nicht ganz trennscharf der Mikro- und Mesoebene zuordnen.

Zur Diagnose einer Skepsis der Erwachsenenbildung gegenüber einer zu starken Inhaltsorientierung und generell einer nahezu fehlenden Fachdidaktik siehe Schüßler 2020; Nolda 2001; Haberzeth 2010; Gieseke 2019; Kulmus 2021; DIE 2011.