Ute Feddersen, Susanne Mundhenk, Birgit Wiechmann-Doil

Beobachtungsbogen zum visuellen Verhalten von Schülerinnen und Schülern bei Verdacht auf eine Störung der zerebralen Sehverarbeitung (CVI) – „BeoBo CVI“

AG CVI der Förder- und Bildungszentren Sehen
in Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein

Ute Feddersen, Susanne Mundhenk und Birgit Wiechmann-Doil

Kinder und Jugendliche mit Sehverarbeitungs­störungen geraten zunehmend in das Aufmerksamkeitsfeld von pädagogischen und therapeutischen Fachkräften.

Oft führt dieses zu diffusen Aussagen wie: „Das Kind hat CVI.“

Die Abkürzung CVI leitet sich vom englischsprachigen cerebral visual impairment (= zere­brale Sehschädigung) ab und hat sich auch weitgehend im deutschen Sprachgebrauch durchgesetzt. Sie steht als Oberbegriff für alle Sehbehinderungen, die nicht vom Auge, sondern von der Sehverarbeitung im Gehirn hervorgerufen werden. Dabei sagt CVI nichts aus über die Vielfalt der visuellen Bereiche, die betroffen sein können, wie beispielsweise das Formensehen, die Gesichtserkennung, das visuelle Ausfiltern oder die Bewegungswahrnehmung.

Kinder und Jugendliche können aufgrund von Einschränkungen in diesen oder anderen Bereichen auf eine sehbehindertenpädagogische Unterstützung im Unterricht angewiesen sein, obwohl ihre Sehschärfe im Normbereich liegt.

Hier entsteht oft die Unsicherheit, ob und welche Konsequenzen für Unterricht, Therapie etc. für die jeweilige Person erforderlich sind.

Daher ist eine genaue Diagnostik – auch im pädagogischen Bereich – erforderlich, um herauszufinden, welche Bereiche der Sehverarbeitung betroffen sind, und daraus entsprechende förderliche Angebote, Nachteilsausgleiche etc. zu entwickeln.

Als ein Baustein dazu wurde im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit Kolleginnen und Kollegen der Förderzentren Sehen in Bremen (Georg-Droste-Schule), Hamburg (Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte) und Schleswig-Holstein (Landesförderzentrum Sehen, Schleswig) der „BeoBo CVI“ zu diesen Fragestellungen entwickelt, der auf bereits bestehende Beobachtungsbögen (siehe Literaturverzeichnis) sowie auf gesammelte Erfahrungen und Einschätzungen der an der AG Teilnehmenden aufbaut. Der „BeoBo CVI“ ist ein beschreibender Beobachtungsbogen und kein Screening-Instrument für die Diagnose CVI.

Er soll dazu beitragen, Beobachtungen zu präzisieren und zu strukturieren, um das Sehverhalten der jeweiligen Person besser zu verstehen.

Zielgruppe des „BeoBo CVI“ sind Kinder und Jugendliche, die nach dem Lehrplan der Regelschule unterrichtet werden oder bei denen ein Förderschwerpunkt Lernen festgestellt wurde.

Er soll von Personen im pädagogisch-therapeutischen Bereich und von Lehrkräften, die sich dem Thema Sehen zumindest ein wenig angenähert haben, eingesetzt werden. Grundsätzlich sollte der Bogen nur gemeinsam mit Eltern bearbeitet werden.

In der Praxis hat er sich als hilfreich erwiesen, um anhand der Fragen ins Gespräch mit Eltern, Lehrkräften etc. zu kommen.

Der „BeoBo CVI“ ist wie folgt aufgebaut:

  • Er beginnt mit Fragen zum medizinisch-therapeutischen Hintergrund und der Anamnese. Die Ziffern und Kästchen am rechten Außenrand weisen auf vorhandene Befundberichte zu den jeweiligen Fragen hin. Werden die Berichte mit den entsprechenden Nummern durchnummeriert, können sie den Fragen leichter zugeordnet werden.
  • Jeder Detailbogen bezieht sich auf eine Abweichung im Bereich Sehen, die dem Bereich CVI zuzuordnen ist: „Grundlegende Informationen zum visuellen Verhalten“, „Sehen und Bewegung“, „Visuelles Aufmerksamkeitsfeld“, „Visuelles Erkennen“, „Visuelles Ausfiltern“, und „Visuell räumliche Wahrnehmung“. Zu diesen Themen können vorgefertigte Fragen im Ankreuzverfahren beantwortet und Informationen in Freitext hinzugefügt werden.
  • Es sollen immer alle Detailbögen bearbeitet werden.
  • Bei allen Detailbögen (außer beim Bogen „Grundlegende Informationen“) sind zunächst einige fett gedruckte „Kernfragen“ zu beantworten. Ergibt eine der Antworten einen Hinweis auf eine Auffälligkeit in diesem Bereich, werden auch die weiteren Fragen bearbeitet. Wenn nicht, kann zum nächsten Bogen gewechselt werden.
  • Im Anhang des Bogens befindet sich eine Frageliste zum Thema „Lesen und Schreiben“, die bei Bedarf ergänzend bearbeitet werden kann. Erfahrungsgemäß haben viele Kinder, bei denen sich Fragen zu CVI stellen, Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben. Diese können hier gesondert erfasst werden.

Der„BeoBo CVI“ erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

So wird beispielsweise das Thema Gesichtsblindheit (Prosopagnosie) nur sehr am Rande einbezogen, da dafür differenzierte Diagnostikverfahren bestehen und das Thema nur wenig Relevanz für pädagogische Konsequenzen im Unterricht besitzt.

Der „BeoBo CVI“ ist (wie bereits gesagt) ein Beobachtungs-, kein Diagnostikbogen. Es existiert keine quantitative Auswertung. Er ist als Gesprächsanlass mit Eltern und Bezugspersonen gedacht, indem er visuelle Auffälligkeiten – differenziert nach den jeweiligen Bereichen – hervorhebt.

Mit diesen Informationen aus Alltag und Schule lassen sich Schwerpunkte der Überprüfung auf CVI ermitteln. Er dient damit u. a. als Grundlage für weiterführende Diagnostik und kann so Hinweise für pädagogisch-therapeutische Überlegungen geben.

Literatur

Bals, Irmgard (2009). Zerebrale Sehstörung. Würzburg, Edition Bentheim.

Bundesministerium für Bildung und Frauen (2015). Das Kind mit Cerebralen Visuellen Informationsverarbeitungsstörungen/CVI. Wien. Online verfügbar unter http://www.cisonline.at/fileadmin/kategorien/CVI_Letztversion_5.2.2015.pdf (abgerufen am 14.11.2018).

Dik, Marjolein u. a. (o. J.). Fragebogen über visuelles Verhalten für Eltern, Überweisende und Begleiter von 1–5 Jährigen. Online verfügbar unter http://www.marjoleindik.com/Fragebogen_0-5_Marjolein_Dik.pdf (abgerufen am 14.11.2018).

Dutton, Gordon (2013). CVI – Cerebral Visual Impairment. Würzburg.

Hyvärinen, Lea (o. J.). The Profile of Visual Functioning. Online verfügbar unter http://www.lea-test.org/index.html?start=en/vistests/instruct/cognitiv/intro06.html (abgerufen am 14.01.2018).

Landesförderzentrum Sehen (2016). Beobachtungsbogen zum visuellen Verhalten bei Verdacht auf eine Störung der zerebralen Sehverarbeitung (CVI) bei Kindern im Kindergartenalter und im schulischen Förderbereich „Geistige Entwicklung“ (unveröffentlicht).

Mundhenk, Susanne (22010). Die Schleswiger Seh-Kiste. Würzburg, Edition Bentheim.

Mundhenk, Susanne u. a. (2005). Schleswiger Beobachtungsbogen zum visuellen Verhalten (mehrfachbehinderter) Kinder und Jugendlicher unter der Fragestellung von CVI. Schleswig (zu bestellen unter mail@lfs-schleswig.de).

Ortibus, E. u. a. (2011). Screening for Cerebral Visual Impairment: Value of a CVI Questionnaire. Neuro­pediatrics 42, 138–147.

Petz, Verena (2013). Das visuelle Funktionsprofil, Dortmund. Online verfügbar unter https://eldorado.tu-dortmund.de/handle/2003/30409 (abgerufen am 14.11.2018).

Roman-Lantzy, Christine (22008). Cortical Visual Impairment, An Approach to Assessment and Intervention. New York, USA.

Werkgroep CVI (2007). Beobachtungskriterien CVI für Kinder mit Verdacht auf CVI in der Grundschule. Ganspoel, Belgien (unveröffentlicht).

Der „BeoBo CVI“ kann unter diesem QR-Code abgerufen werden:

Der QR-Code ist mit einem Link zum BeoBo CVI versehen.
Ansprechpartnerinnen
Logo Georg-Droste-Schule, Bremen: ein stilisiertes Auge mit einer gelben Pupille. In der Pupille sind drei schwarze Punkte.

Birgit Wiechmann-Doil
Georg-Droste-Schule
Schule für Sehen und visuelle Wahrnehmung

An der Gete 103, 28211 Bremen

E-Mail: birgit.wiechmann@schulverwaltung.​bremen.de

Logo des BZBS: Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte, Hamburg: Die Buchstaben BZSB Hamburg in einem blauen Quadrat. In der dritten Zeile befindet sich ein roter Punkt.

Ute Feddersen
Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte

Borgweg 17a, 22303 Hamburg

E-Mail: ute.feddersen@bzbs.hamburg.de

Logo des Landesförderzentrums Sehen, Schleswig. Vor einem Umriss des Landes Schleswig-Holsteins in Grau befinden sich ein Doppelpunkt und die Buchstaben LFS in Blau und Rot, verziert mit weißen Braillepunkten.

Susanne Mundhenk
Landesförderzentrum Sehen, Schleswig
Lutherstr. 14, 24837 Schleswig

E-Mail: susanne.mundhenk@schule-sh.de