Georg Tafner

Reflexive Wirtschaftspädagogik. Wirtschaftliche Erziehung im ökonomisierten Europa

Eine neo-institutionelle Dekonstruktion des individuellen und kollektivem Selbstinteresse

Wir leben in einem ökonomisierten Europa. Meyer (2005) spricht von der Kultur der Rationalität und Vietta (2012) vom Imperium der Rationalität. Wie sollte und könnte wirtschaftliche Erziehung in einer Kultur aussehen, in der Zweckrationalität, Funktionalität und ökonomisches Denken eine kulturbestimmende Rolle einnehmen?

Drei Antworten der Wirtschaftspädagogik sind möglich: Erstens kann die beschriebene kulturelle Situation ignoriert oder als nicht vorhanden abgelehnt werden. Zweitens kann dieser Diagnose im Allgemeinen zugestimmt werden, aber im Besonderen darin kein Grund erkannt werden, über die Ausrichtung der Wirtschaftspädagogik nachzudenken. Drittens kann die Herausforderung erkannt und eine Antwort darauf gesucht werden. Diese kann einerseits in einer Wirtschaftspädagogik gefunden werden, welche die Ökonomik und das Selbstinteresse in den Mittelpunkt stellt und damit den pädagogischen Auftrag gerade darin erkennt, der Ökonomisierung und Zweckrationalisierung zu dienen. Andererseits kann eine Antwort in einer Wirtschaftspädagogik gefunden werden, die den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt rückt und die gesellschaftlichen Folgen des ökonomischen Denkens und Handelns mitberücksichtigt sowie die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufgabenstellungen reflexiv in Frage stellt. Diesen Weg verfolgt das vorliegende Buch.

Das Eingebettetsein von Menschen und Organisationen in Gesellschaft und Kultur eröffnet die soziale Dimension und damit das Ethisch-Moralische und das Staatsbürgerliche, das sich nicht mehr allein auf den Nationalstaat bezieht, sondern sich um das Unionsbürgerliche erweitert hat. Da die Marktwirtschaft so wie der Staat von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht schaffen kann, werden Ethik und Politik zu Teilen der wirtschaftlichen Erziehung. Wirtschaftliches Tun ist also mehr als der Vollzug der rein ökonomischen Vernunft: Wirtschaftliche Erziehung ist ohne wirtschaftliche Inhalte leer, ohne Ethik blind und ohne Politik rahmenlos.
Vorwort der Herausgeber
Vorwort des Autors
0 Einführung
0.1 Motivation und Ausgangspunkt
0.2 Der wirtschaftspädagogische Bezug
0.3 Die Forschungsfragen
0.4 Das Theorieverständnis im Sinne des Cultural Turn
0.5 Methodologische Rahmung und methodischer Aufbau der Arbeit
1 Wie Institutionen das Denken lenken
1.1 Kulturbegriff und Kulturtheorien
1.2 Institutionen
1.3 Neo-Institutionalismus
1.4 Fazit: Der neo-institutionalistische Ansatz in dieser Arbeit
2 Die Bedeutung von Institutionen für die Wirtschaftspädagogik
2.2 Institutionen aus der Mesosicht
2.3 Fazit: Wirtschaftspädagogik - ausdifferenziert und normativ
3 Wirtschaftliche Erziehung
3.1 Erziehung und Erziehungswissenschaft
3.2 Wirtschaftliche Erziehung und Wirtschaftspädagogik
3.3 Fazit: Wirtschaftliche Erziehung
4 Wirtschaftliche Moralerziehung: Die Beck-Zabeck-Kontroverse
4.1 Ethik und Moral
4.2 Ausdifferenzierung der Systeme
4.3 Kohlbergs Theorie der moralischen Entwicklung
4.4 Homanns rein ökonomische Vernunft
4.5 Fazit: Neo-institutionelle Interpretation der Betriebsmoral
5 Staats- und unionsbürgerliche Erziehung
5.1 Kulturelle Deutung des Europäisierungsprozesses
5.2 Neo-Institutionalismus und Makroebene: Isomorphie
5.3 Neo-Institutionalismus und Mikroebene: Handlungsorientierung
5.4 Fazit: Einheit in standardisierter Vielfalt
6 Reflexive Wirtschaftspädagogik
6.1 Die Dimensionen der Wirtschaftspädagogik
6.2 Institutionen lenken das Denken, nehmen aber die Verantwortung nicht
6.3 Doppelt integrative Ethik: Tugend für Individual- und Institutionenethik
6.4 Politische Bildung und wirtschafts(unions)bürgerliche Tugenden
6.5 Fazit: Reflexive Wirtschaftspädagogik
6.6 Abschlussthese
Georg Tafner ist Professor und Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftspädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Für seine Habilitationsschrift erhielt er 2014 den Kardinal-Innitzer-Förderungspreis für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Er ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für sozioökonomische Bildung und Wissenschaft (GSÖBW) und Mitherausgeber der gleichnamigen Reihe. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Fachdidaktik sowie den sozioökonomischen Zusammenhängen von Gesellschaft, Politik und Ethik aus wirtschaftspädagogischer Perspektive.
Die dazugehörige Printversion ist direkt beim EUSL Verlag https://www.eusl.de/eusl-buecher/reihe-wirtschaftspaedagogisches-forum/reflexive-wirtschaftspaedagogik-wirtschaftliche-erziehung-im-oekonomisierten-europa-detail zu beziehen.

weitere Infos

Tafner, Georg (2015). Reflexive Wirtschaftspädagogik. Wirtschaftliche Erziehung im ökonomisierten Europa (1. Aufl.). Bielefeld: Eusl Verlag - Imprint wbv Publikation. https://doi.org/10.3278/9783763970674

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Bibliografische Angaben

  • Reihe: Wirtschaftspädagogisches Forum
  • Band: 48
  • Auflage: 1
  • Erscheinungsdatum: 30.04.2015
  • Umfang: 748 Seiten
  • Artikelnr: I70674
  • ISBN E-Book (PDF): 9783763970674
  • DOI (E-Book): 10.3278/9783763970674
  • Imprint: EUSL bei wbv
  • Sprache: Deutsch

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